Rechtsruck, Krieg und Krise? Nicht mit uns!
Heraus zum Tag der politischen Gefangenen
Scheinbar unaufhaltsam schreitet der Rechtsruck voran und stürzt die Welt ins Chaos. Katastrophen jagen die Krisen von gestern und das vertraut Geglaubte wird mit jedem Tag unwirklicher. Egal ob es Regierungsübernahmen durch faschismusaffine Politiker*innen sind, die sich zu Flächenbränden ausweitenden Kriegsgebiete oder der Abbau elementarster bürgerlicher Rechte: Überall zeigen Reaktion und Ausbeutung ihre hässliche Fratze und das auch immer offener.
Es erscheint häufig gar nicht mehr so, als könnten fortschrittliche Bewegungen in die Krisendynamiken eingreifen und das Schlimmste verhindern. Es wirkt, als würden all die schlechten Entwicklungen in der Welt die Flamme der Hoffnung ersticken.
Der Schein trügt – Momente antifaschistischer Gegenwehr
All diese Entwicklungen können wir nicht nur einseitig betrachten, sie haben stets auch noch eine andere Seite. In Reaktion auf den Genozid in Gaza entstand eine weltweite Solidaritätsbewegung, die so groß und ausdauernd ist, wie selten seit dem Vietnamkrieg. So demonstrierten bspw. 300.000 Menschen alleine in London für das Ende des Mordens im Gazastreifen.
Nach den Enthüllungen von Correctiv letzten Jahres über Abschiebepläne faschistischer Kräfte, erhoben sich Millionen von Menschen in Deutschland, bis in die kleinsten Orte. Auch wenn bürgerliche Kräfte, allen voran die Regierungsparteien, diese Proteste vereinnahmen konnten, sind sie trotzdem Ausdruck eines wachsenden gesellschaftlichen Bewusstseins.
Aufgrund unserer Kämpfe werden selbst sichere Rückzugsgebiete der faschistischen Bewegung genommen. Im rechtsautoritären Ungarn konnten jahrzehntelang Nazis aus allen europäischen Ländern am „Tag der Ehre“ ihren geistigen Ahnen huldigen und offen in SS-Uniformen durch Budapest ziehen. Das ungebremste Wachstum der Veranstaltung ist vorerst gestoppt und die Gegenproteste werden von Jahr zu Jahr größer. Nach den Zusammenstößen zwischen Nazis und Antifaschist*innen im Jahr 2023, wuchs der Widerstand gegen das Treiben in Ungarn. Im Jahr 2024 sahen sich die zuständigen Behörden gezwungen, zwei der drei rechten Gedenkveranstaltungen zu verbieten und die Verbliebene nur mit starken Auflagen zu zu lassen. Dies ist nicht die Folge eines spontan entstandenen Problembewusstseins der Obrigkeit, sondern Ausdruck der wachsenden Aufmerksamkeit und Kritik aus In- wie Ausland. Wohl deshalb fiel die Teilnehmerzahl der „Breakout 60“ Wanderung von 2.500 auf 1.000, bei der die Nazis in historischen Uniformen fast 60 Kilometer marschieren, um dem „heldenhaften Widerstand“ von Wehrmacht, SS und ungarischen Kollaborateuren zu gedenken. Um sich dem zu widersetzen kamen über 1.000 Antifaschisten aus ganz Europa zusammen und organisierten die größte Antifa-Demonstration seit der Unabhängigkeit des Landes.
All das sollte uns zeigen: Widerstand lohnt sich und ohne unsere Mühen wird sich nichts ändern.
Die Situation in Deutschland
Und auch hierzulande tut sich was. Die Zeiten des gesellschaftlichen Stillstandes sind vorbei. Die Protestbereitschaft wächst und so gehen jährlich mehr Menschen auf die Straße, seien es für Demonstrationen oder Streiks, deren Anzahl sich mehr als verdoppelt hat. Doch auf diese erfreulichen Entwicklungen reagieren staatliche Organe zunehmend autoritär:
Auch die Polizeigewalt nimmt zu, Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden beschnitten und eine Reihe neuer Gesetze verhängt, die uns das Aufstehen für unsere Belange erschweren sollen.
Seit den Versammlungs- und Kontaktverboten während der Covid-Pandemie, ist die Einschränkung des Versammlungsrecht zur traurigen Realität verkommen. Auf ein generelles Demonstrationsverbot ab März 2020, folgten 2022 Einschränkungen im Bezug auf den Ukrainekrieg und dem Gedenken an die Rote Armee in Berlin. Und auch 2023 & 2024 wurden die Repressionsorgane kreativ: der antifaschistische Tag X in Leipzig wurde brutal zerschlagen und hunderte Personen mit Anzeigen wegen schweren Landfriedensbruch übergezogen. Auch Proteste gegen den Genozid in Palästina wurden regelmäßig untersagt und Teilnehmer*innen, sowie Anmelder*innen teilweise wochenlang schikaniert. Polizeibrutalität, Anzeigen und Festnahmen wurden zu regelmäßigen Begleitern der neu entstehenden, internationalistischen Friedensbewegung.
Doch dabei blieb es nicht. Befeuert durch rechte Parteien und Zeitungen startete man in Deutschland eine Debatte über „importierten Antisemitismus“, verbot bestimmte Kleidungsstücke im öffentlichen Raum und drängte unliebsame Meinungen an den Rand. Soziale Träger, die Geld vom Staat erhalten, riskieren die Zuwendungen bei zu deutlicher politischer Positionierung. Angestellten droht die Entlassung und neuerdings sollen Student*innen durch Verschärfung des „Ordnungsrecht“ ihren Studienplatz verlieren können. Völlig unglaublich war dann die Einführung eines Fragenblocks zu Israel im Einbürgerungsverfahren der Bundesrepublik Deutschland. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft will muss sich zukünftig zum Staat Israel bekennen, da dies die „Staatsräson“ erfordere.
Und hier?
Zunehmende staatliche Härte trifft jedoch nicht nur die aufkommende internationalistische Bewegung. Auch die antifaschistische Bewegung in Europa kann ein Lied davon singen. Die Auseinandersetzungen werden härter und das spüren wir am eigenen Leib.
Im Oktober 2023 knallten in Nürnberg die Türen und man beschuldigte sechs Antifaschist*innen „die Antifa mittels Graffiti verherrlicht“ zu haben. Doch als wäre dies nicht absurd genug, riss man auch unsere Freundin Hanna aus unseren Reihen und hält sie seit Mai 2024 gefangen.
Lange Zeit war es unklar, ob man sie nach Ungarn ausliefern wird oder nicht. Nun steht fest, dass man ihr in Deutschland einen Prozess machen wird. Erst danach wird sich die Frage nach einem zweiten Prozess in Ungarn entscheiden. Doch egal ob Hanna ausgeliefert wird oder nicht, allein die Tatsache, dass sie angeklagt wurde, ist eine Frechheit.
Die Vorwürfe gegen sie sind so hanebüchen, wie gegen alle anderen Angeklagten und Untergetauchten im Budapestkomplex. Ein Teil dieser ist vor kurzem selbstbestimmt aus dem Untergrund aufgetaucht und sitzt nun in Untersuchungshaft. Auch ihnen droht die Auslieferung nach Ungarn. Ebenso wird weiterhin unablässig nach 8 Personen gefahndet und Deutschland hilft dabei nach Kräften mit.
Wir sollten nicht den Fehler machen zu glauben, dass Deutschland an all dem kein Eigeninteresse hätte. Nein im Gegenteil:
– ohne deutsche Unterstützung wäre der Genozid in Palästina so nicht möglich
– ohne deutsches Eigeninteresse wäre die Verfolgung der antifaschistischen Bewegung so nicht denkbar
– ohne deutsche Teilnahme gäbe es GEAS, Frontex und Auslieferungen politischer Gefangener so nicht
Doch warum das alles?
Der Grund hierfür ist einfach. Der deutsche Staat bereitet sich auf die kommenden Krisen und Konflikte vor. Die kapitalistische Klasse weiß, dass es nicht so weiter gehen wird wie bisher. Ressourcen sind endlich, die Umwelt nicht ewig ausbeutbar und Märkte übersättigt. Sie wollen ihre Probleme mit Krieg lösen und rüsten deshalb auf. Sie sparen im sozialen Bereich, um Panzer, Granaten und Kanonen zu produzieren. Und so wächst das Heer der Arbeitslosen, prekär Beschäftigten und sozial Abgehängten, während die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Doch sind sie nicht naiv genug zu glauben, dass dagegen kein Widerstand entstehen wird. Daher schränken sie präventiv unsere Rechte ein, sie schikanieren uns und rüsten zum Krieg nach Außen und zur Aufstandsbekämpfung nach Innen.
Wir haben also allen Grund sauer zu sein und Protest sichtbar werden zu lassen.
Wir schulden es Hanna, allen Untergetauchten, allen von Repression betroffenen und auch uns selbst. Kommt mit uns am 15.03 auf die Straße und zeigt:
Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht.
Für die Freiheit von Hanna, Maja, Gino, Zaid, Daniela, Haci und allen anderen!
Denn wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich.
Verbreitet unseren Aufruf / zum Selbstausdrucken gerne weiter und nutzt unsere Sharepic (1420×2000).