Der Meinungskorridor wird schmaler – die unrühmliche Rolle bürgerlicher Medien
Egal ob der Krieg Ukraine/Russland oder Israel/Palästina: Kaum waren die ersten Bomben gefallen, war klar, wo man sich hier zu positionieren hat, mit wem man Solidarität zeigen soll und mit wem nicht. Die einhellige Kriegseuphorie nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine aller bürgerlichen Medien lief in atemberaubenden Tempo. Kein Innehalten, keine Zeit für ausgewogen Analysen, von differenzierter Berichterstattung keine Spur. Während es in Russland verboten war über „Krieg“ zu sprechen, war (und ist) es hier verpönt, „Frieden“ oder auch nur Diplomatie zu fordern. Dass das mehr als ein Gefühl ist, zeigen sogar unabhängige Studien. Eine Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat z.B. die „Qualität der Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg“ untersucht. Überraschend fällt für die Autor*innen die oft als positiv bewertete und als überwiegend sinnvoll – und dabei auch als sinnvoller als diplomatische Maßnahmen – dargestellte Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. „Vor allem vor dem Hintergrund vergleichbarer früherer Kriege, in denen deutsche Waffenlieferungen gar nicht zur Debatte standen“, so der Studienleiter Prof. Dr. Marcus Maurer, Professor am Institut für Publizistik der Universität Mainz.
Dass etliche Journalist*innen sich im Laufe der Berichterstattung mit Zustimmung zu Kriegspolitik überboten und die Ampelregierung – allen voran Kanzler Scholz kritisierten, wenn er nicht sofort die schwersten Waffen liefern wollte oder konnte, entspricht der Wahrnehmung, die Medien agieren regierungsfreundlich. Es zeigt, dass sich natürlich auch ideologisch bei den Journalist*innen selbst etwas tut. Nicht alle sind „Überzeugungstäter*innen“, aber auch sie nehmen die Propaganda auf, machen sie sich zu eigen und entwickeln sie selbst weiter. Nur so behalten sie ihren Arbeitsplatz und werden im Geschäft der bürgerlichen Medien erfolgreich. Man stelle sich vor, einige Journalist*innen hätten zu Beginn des Krieges einen Stopp des Krieges, keine Waffenlieferungen und mehr Diplomatie gefordert. Diejenigen, die das außerhalb des journalistischen Rahmens getan haben, wie tausende Protestierende gegen die sogenannte Münchner „Sicherheitskonferenz“, wurden zur vierten Kolonne Putins erklärt. Altgediente Kriegsgegner*innen mussten sich wieder einmal dem Vorwurf des Vaterland-Verrates aussetzen – nun gut, viele kennen das schon.
Zugleich berichten eben diese Medien nicht darüber, dass Deserteure aus Russland hier mehrheitlich kein Asyl erhalten, sogar abgeschoben werden. Aber solche Informationen passen nicht in den Pro-Abschiebe Kanon, in den die bürgerliche Presse ebenso eingestiegen ist, wie in das Hochschreiben der AfD und die Kriminalisierung von Menschen mit palästinensischem Hintergrund. Dass Polizeieinheiten in Berlin Neukölln Kerzen austraten, die Menschen in Gedenken an die Ermordeten in Gaza aufgestellt hatten, gerät schnell in den Hintergrund, wenn man dann letzten Endes doch schreibt, dass die Polizei Gewalt einsetzen „musste“. Die Ukraine „muss“ sich wehren, die Cops „müssen“ schießen und man „muss“ bedingungslos an der Seite der israelischen Regierung stehen. Alleine all diese Imperative verengen den Meinungskorridor beträchtlich.
Und dabei ist es bei weitem nicht so, dass „man ja nichts mehr sagen darf“. Doch, eigentlich dürfen viele Menschen jeden erdenklichen menschenverachtenden Mist von sich geben. Die einen fordern, dass man Menschen an Grenzen erschießt oder in den Meeren ertrinken lässt, andere empfehlen einem, mit dem Waschlappen durch die Energiekrise zu kommen und wieder andere kommen nicht trotz ihres, sondern wegen ihres unsäglichem Antisemitismus mit einem Stimmenzuwachs in die deutschen Parlamente. Alles möglich, wenn es nicht grundsätzlich der Linie der herrschenden Politik widerspricht.
Und diese Linie ist gebaut auf kapitalistischer Konkurrenz, Profit, imperialistischen Bestrebungen Deutschlands, einer Abschottungspolitik vor den Folgen dieser aggressiven imperialistischen Wirtschafts- und Kriegspolitik sowie von Privatisierung, Profitmaximierung, Ausbeutung und Unterdrückung.
Wer in dieses journalistische Leitbild einstimmt, dem steht eine glänzende Karriere in den bürgerlichen Medien bis hin zu den Leitmedien bevor. Finanziert wird diese bei den öffentlichen Medien dann auch noch von den Abgaben, die die Lohnabhängigen hier leisten müssen, obwohl sich diese Linie voll und ganz gegen ihre ureigenen Interessen richtet. Die überwiegende Zahl der Medien gehört in der BRD ohnehin einer Handvoll Konzerne, die aktiv Berichterstattung nach ihrem Kapitalinteresse verbreiten.