Soziale Kämpfe in der Region

Sozialticketbündnis für Nürnberg-Fürth-Erlangen gegründet – Demo für Stromsozialtarif in Fürth

Am 19. März gründete sich im Rahmen einer Veranstaltung im Nachbarschaftshaus Gostenhof in Nürnberg das Bündnis Sozialticket. Ziel des aus der Initiative für ein Sozialticket hervorgegangenen Bündnisses ist es, dafür zu sorgen, dass Mobilität auch wieder Menschen zur Verfügung steht, die sich die teuren Tickets der VGN nicht mehr leisten können. In dem Bündnis arbeiten Menschen aus Nürnberg, Fürth und Erlangen aus unterschiedlichen Initiativen und Organisationen zusammen.
Als kurzfristige Sofortmaßnahme, um Mobilität wieder erschwinglich zu machen fordert das Bündnis ein Sozialticket zum Preis von 11,23 Euro. Die 11,23 Euro wurden gewählt weil der Staat ALG-2-EmpfängerInnen genau diesen Betrag für „Fahrkarten für Bus und Bahn (ohne Reisen)“ als Regelsatz auszahlt. Ein Regelsatz der natürlich völlig realitätsfern ist und mit dem nicht annähernd das Mobilitätsbedürfnis der EmpfängerInnen abgedeckt werden kann. Ein Beispiel dafür ist, das selbst das angeblich vergünstigte Ticket, das Nürnberg-Pass-BesitzerInnen von der VAG in Nürnberg bekommen können, 29,90 Euro kostet, also fast das Dreifache des Regelsatzes. Trotz der Anlehnung an den ALG-2-Regelsatz geht es aber dem Bündnis-Sozialticket nicht darum, nur für ALG-2-EmpfängerInnen Zugang zu Mobilität zu fordern. Explizit wird das Sozialticket für alle gefordert, die sich aufgrund der hohen und jährlich steigenden Ticketpreise öffentliche Verkehrsmittel nicht leisten können. Mittelfristig will das Bündnis sogar aus „sozialen und ökologischen Gründen“ den Nulltarif in Bus und Bahn, der genauso Bestandteil einer am 16. März gestarteten Unterschriftenkampagne des Bündnisses ist, wie die kurzfristige Forderung nach dem Sozialticket. Während das Bündnis sich aber, was die Konkretisierung dieser sozialen und ökologischen Gründe betrifft, bisher ausschweigt, hat die organisierte autonomie (OA), die Gründungsmitglied des Bündnis Sozialticket ist, ein Flugblatt zum Nulltarif herausgebracht. Dort heißt es „Der Nulltarif könnte unbürokratisch eingeführt werden und hätte nicht die stigmatisierende Wirkung eines âNürnberg Passes‘. Auch im Bereich des Klimaschutzes wäre die zu erwartende stärkere Nutzung der …ffentlichen ein positiver Beitrag. Viele würden ihr Auto öfter stehen lassen, das Verkehrsaufkommen würde sich reduzieren, so würde ein Nulltarif zu einem besseren Klima in der Stadt beitragen.“ In dem OA-Flugblatt wird die Forderung nach einem Nulltarif in Bus und Bahn auch direkt mit der derzeitigen globalen Krise des Kapitals in Bezug gesetzt: „Gerade jetzt in der Krise ist es wichtig in die Offensive zu gehen und zu fordern was uns ohnehin gehört. Wenn der Staat mal eben ein paar Hundert Milliarden locker machen kann, um verantwortungslos wirtschaftenden Unternehmen aus der selbstverschuldeten Misere zu helfen, da lassen wir uns doch nicht erzählen, dass ein freier Zugang zu Mobilität nicht möglich ist!“

Stromsozialtarifdemonstration in Fürth

Gerade die Einsicht, dass es gerade dann sinnvoll ist, auf sozialen Rechten zu bestehen, wenn die Folgen der Krise auf die Allgemeinheit abgewälzt werden sollen, findet sich auch in der Kampagne des Fürther Sozialforums für einen Stromsozialtarif. Im Aufruf zur Demonstration für einen Stromsozialtarif in Fürth am 25. März heißt es: „Für Großbanken die sich verspekuliert haben, werden innerhalb weniger Tage Hunderte von Milliarden Euro locker gemacht, während uns über Jahre hinweg immer wieder erklärt wurde, dass der Staat unbedingt sparen müsse und damit Forderungen für den sozialen- oder auch Bildungsbereich abgelehnt wurden und Kürzungen im sozialen Bereich, bei Renten, Gesundheit etc. durchgesetzt wurden.“ An der Demonstration beteiligten sich trotz sehr schlechtem Wetter etwa 80 Personen. Angesichts Tausender, die von Stromsperrungen in Fürth betroffen sind, sind das natürlich nicht viele. Andererseits ist Sozialprotest in Deutschland traditionell kaum in der Bevölkerung verwurzelt. Die meisten schämen sich wohl noch für ihre, angeblich selbstverschuldete, schlechte Situation. Dass es den Menschen „noch zu gut gehe“ ist zwar eine weit verbreitete Floskel, Sozialstudien zeigen aber das Gegenteil. In Nürnberg z.B. waren laut dem von der Stadt Nürnberg herausgegebenen Armutsbericht schon vor Jahren ein Drittel der Bevölkerung arm oder von Armut bedroht. Deren Situation dürfte sich in den letzten Jahren durch die fortschreitende Kürzung von Sozialleistungen noch verschlechtert haben. Es bleibt die wohl wichtigste Aufgabe sozialrevolutionärer Initiativen, die vom Wohlstand ausgegrenzten zu mobilisieren und zu politisieren. Einen Beitrag dazu leisten diese Initiativen auf jeden Fall.
Internetseite des Bündnis Sozialticket: http://www.netzwerkit.de/projekte/buendnis-sozialticket

barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – April 2009