one struggle one fight

AZ muss her & KV bleibt

Knapp 2000 Menschen beteiligten sich am 28. Februar an einer Demonstration für den Erhalt des Kunstvereins (KV), forderten die Stadt Nürnberg auf die Finger von den eh schon wenigen subkulturellen Einrichtungen zu lassen und nach jahrelangen Verhandlungen endlich ein Haus für ein Autonomes Zentrum (AZ) zur Verfügung zu stellen.
Eine bunte Mischung hatte sich am Samstag um 14 Uhr vor dem von einer Allparteienkoalition 1997 geschlossenen Gebäude des selbstverwalteten KOMM am Königstor zur Auftaktkundgebung der Demo eingefunden: Veteranen der Subkultur, Punks, KommunistInnen, Hippies und die FAU, ex KOMMlerInnen, Skinheads, FabrikarbeiterInnen und DesimitarbeiterInnen, autonome Linke von Banda Sinistra, der organisierten autonomie, aus der Jugend Antifa, der radikalen Linken und anderen Gruppen, Rockabilies, Normalos, Angehörige zahlreicher lokaler Combos, die SdAJ und Solid, Hip Hop Crews, Mitglieder  der Gewerkschaft und Emos, KöchInnen aus der VAPCA und der Schwarzen Katze, Linksparteiler, Erwerbslose und AktivistInnen Soziokultureller Einrichtungen, DKP- und Musikvereinmitglieder und viele mehr die auf die schnelle nicht zu verorten sind. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden, Statistiker wären hier gefragt, dürfte sich so in etwa irgendwo zwischen 11 und 67 Jahren bewegt haben.

Demostration mit Power
Als sich der Zug, begleitet von einem angesichts der Masse an Personen sichtlich überaschten und zurückhaltend agierenden Polizeiaufgebot, in Bewegung setzte, war die Aufmerksamkeit von PassantInnen gesichert. „Halli Galli Drecksauparty“ war auf einem der zahlreichen Schilder zu lesen und das entsprach auch der Stimmung, die im gesamten Demozug herrschte. Von einer Trommelgruppe angeführt und durch Sound aus mehreren Lautsprecherwägen begleitet zog der Zug lautstark durch die Innenstadt. Auf mehreren Zwischenkundgebungen forderten RednerInnen projektübergreifende Solidarität, riefen zum gemeinsamen Kampf für den Erhalt des KV und anderer bestehender subkultureller Einrichtungen, zur Sebstverteidigung gegen staatlichen und städtischen Kürzungswahn und zur Unterstützung der Forderung für ein Autonomes Zentrum auf. Live acts vom Nürnberger Barden Gymmick, von Renitenz und anderen sorgten auf den Zwischenkundgebungen für Stimmung, unterwegs sorgten alle dafür und die Parole „KV bleibt AZ jetzt“ hallte durch die Straßen. Ganz vorn im Zug sorgte ein Block, laufender bemalter Häuser, die Freunde der Initiative für ein AZ gebaut hatten, dafür ihrer Forderung Aufmerksamkeit zu verschaffen und den städtischen Verantwortlichen zu signalisieren so soll es aussehen das AZ.

Solidarität und Einheit in der Vielfalt

Auf der Demonstration zusammengeführt, hat das breite Spektrum an Teilnehmenden sicher die Tatsache das die Spielräume für alternative, nicht kommerzielle Kultur aufgrund der neoliberalen Politik der SPD-Stadtspitze auch in Nürnberg immer enger werden und die Unzufriedenheit bei vielen wächst. Den Ausschlag für eine Mobilisierung dieser Breite, dürfte jedoch das asoziale Sanierungskonzept der Z-Bau Betreibergesellschaft gegeben haben, welches auf Initiative des Stadtrates Grosse-Grollmann der Wählergemeinschaft „Die Guten“ und ihrem ersten Vorsitzenden entstanden ist und von der SPD aufgegriffen wurde. Das Konzept der mit den „Guten“ verflochtenen Z-Bau-BetreiberInnen sieht vor, dem KV die Räume zu entziehen. Im Tonfall neoliberaler Politik führen die ex-Alternativen als Argument für den geplanten Rausschmiss an: „Sicherheit und Sauberkeit seien nicht lösbare Konfliktpunkte“ und sind damit auf lokaler Ebene wohl endgültig dort angekommen, wo die Grünen bereits vor Jahren gelandet sind.
Mit dem Kunstverein soll aufgrund dieses Sanierungsplanes eine seit über 30 Jahren bestehende Einrichtung, die Generationen Konzerte zu erschwinglichen Preisen, eine Kneipe ohne Konsumzwang, Kultur, Volxküche und vieles mehr geboten hat und bietet, rausgeworfen werden.
Für viele brachte das wohl das Fass zum überlaufen und es entstand die Solidarität und Einheit in der Vielfalt, die uns – die große Mehrheit in diesem Land, einzig immer wieder in die Lage versetzten kann, unsere Interessen gegen die Profitgier, den reaktionären Sicherheits- und Sauberkeitswahn und all die andere Kacke, die das Leben im Kapitalismus so mit sich bringt, durchzusetzen.

Sturm im Wasserglas oder die Ruhe vor dem Sturm

Vorerst hat die Stadt Nürnberg sowohl dem KV als auch der AZ Initiative im Zuge der Mobilisierung Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Angesichts der allgemein gegenüber dem städttischen Filz aus Politik und Verwaltung angebrachten Skepsis tun jedoch beide Initiativen sicherlich gut daran, wenn sie ihre Aktivitäten nun nicht zurückschrauben, sondern weiterhin Druck auf die Verantwortlichen ausüben. Vor dem Hintergrund der immer weiter um sich greifenden Krise des kapitalistischen Wirtschaftens, die sicherlich früher oder später auch auf der lokalen Ebene mit weiteren Kürzungen durchschlagen wird, erscheint dies um so mehr angebracht.
Die Demonstration am letzten Samstag mit ihrer hohen TeilnehmerInnenzahl war sicher ein Schuss vor den Bug der städtischen Kürzungs- und Streichungsfanatiker und damit ein Erfolg.
Wenn sie kein Sturm im Wasserglas gewesen sein soll, müssen alle, die daran teilgenommen haben, allerdings weiterhin solidarisch dafür sorgen, dass denen da oben klar bleibt, dass wir nicht bereit sind, die Kosten ihres krisenhaften, am Profitstreben einer Minderheit ausgerichteten Wirtschaftssystems zu bezahlen, und bereit sind unser Recht auf Räume und Kultur mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen.

Quelle:
barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – Ausgabe März 2009