Make NATO History – ein interview zu den aktivitäten gegen den NATO-Gipfel

Am 3. und 4. April trafen sich politisch und militärisch Verantwortliche der NATO in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden, um über militärische Strategien zu diskutieren und das 60. Jubiläum der NATO zu feiern. Doch konnten die PolitikerInnen ihre Bereitschaft für die Interessen des Kapitals über Leichen zu gehen nicht ungestört zur Schau stellen. Ca. 30.000 Menschen protestierten vor Ort und versuchten die Zufahrtswege zum Tagungsort zu blockieren. Sowohl vor als auch während des Gipfels waren die Tage durch die Polizeibrutalität, aber auch durch die Gegenwehr der DemonstrantInnen gekennzeichnet: Tausende wurden daran gehindert, nach Strasbourg zu gelangen. Die Blockaden und die Großdemonstration in Strasbourg mit ca. 10.000  TeilnehmerInnen wurden von der Polizei mit Gummigeschossen, Gas- und Blendschockgranaten angegriffen. Die DemonstrantInnen wehrten sich mit Steinen, eine ehemalige Zollstation und ein Ibis-Hotel wurden angezündet. Es kam zu ca. 300 Festnahmen und bisher bekamen 3 Demonstranten bekamen Gefängnisstrafen.

Im Rahmen der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel fanden auch in Nürnberg verschiedene Aktivitäten statt: Am 7. März veranstaltete die organisierte autonomie eine Konferenz gegen Krieg und Militarismus, am 14. März fanden eine ebenfalls von der OA durchgeführte Agit-Prop-Kundgebung und eine von der Radikalen Linke initiierte Bündnisdemonstration mit ca. 300 TeilnehmerInnen statt. barricada schickte der organisierten autonomie einige Fragen zu der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel, die diese schriftlich beantwortete..

barricada: Beginnen wir im Vorfeld der Erreignisse. Ihr habt ja bereits im Vorfeld des NATO-Gipfels lokale Aktivitäten gestartet. Welchen Sinn hatten diese Aktivitäten?

organisierte autonomie: Wir haben eine Antikriegskonferenz und eine Agit-Prop-Kundgebung in der Nürnberger Innenstadt durchgeführt, uns darüber hinaus an der lokalen Demonstration beteiligt. Diese lokalen Aktivitäten dienten alle selbstverständlich der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg und erfüllten darüber hinaus verschiedene Funktionen. Mit der Konferenz sollten Hintergrundwissen und Inhalte der Mobilisierung gegen die Kriegspolitik der kapitalistischen Metropolen vermittelt oder vertieft werden und die für Strasbourg geplanten Aktivitäten vorgestellt werden. Es sollten Interessierte an die Thematik herangeführt und darüber hinaus aufgezeigt werden das eine Welt ohne Krieg nur jenseits der herrschenden kapitalistischen Wirtschaftsweise zu haben ist, deren Mechanismen zwangsweise immer wieder Kriege um Resourcen, Absatzmärkte Einflußsphären etc. hervorbringen. Bei der Agit-Prop-Kundgebung stand nicht die Mobilisierung von KriegsgegnerInnen zur Kundgebung auf der Tagesordnung sondern die Information, Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung. An der lokalen Anti-Nato-Demo haben wir uns mit der selben Zielsetzung beteiligt.
Allgemein kann zum Sinn dieser Aktivitäten noch gesagt werden, dass bundesweite bzw. in diesem Fall sogar länderübergreifende Kampagnen der radikalen Linken eine lokale Mobilisierung und, angesichts der Desinformation durch die bürgerlichen Medien, eine lokale Vermittlung brauchen. Das mit der Mobilisierung der eigenen Kräfte haut ja in den meisten Städten einigermaßen hin, Versuche über die eigenen Szenegrenzen hinaus mobil zu machen sind da schon dünner vorhanden und die Vermittlung von Aktivitäten fällt nach wie vor viel zu oft völlig flach. Will die revolutionäre Linke in diesem Land aber darüber hinauskommen eine sich selbst genügende Kraft zu sein, die ihrer Ablehnug der Verhältnisse immer mal wieder Ausdruck verleiht, kann dies nur gelingen wenn Wege gefunden werden antikapitalistische Inhalte gesellschaftlich zu vermitteln und zu verankern. Darüber hinaus werden über die gesellschaftliche Vermittlung und Verankerung von Großmobilisierungen, bereits im Vorfeld der eigentlichen Aktivitäten, die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung der selben geschaffen. Mit unseren lokalen Aktivitäten haben wir versucht genau da einzuhaken.

barricada: Wie würdet ihr im Nachhinein die bundesweite Mobilisierungsphase gegen den NATO-Gipfel bewerten?

organisierte autonomie: Auf der lokalen Ebene kann das was gelaufen ist sicherlich als gelungen und auf dieser Grundlage als ausbaufähig bezeichnet werden.
Bundesweit ist es trotz massiver staatlicher Einschüchterung gelungen, Tausende zu den konkreten Aktivitäten in Strasbourg und Kehl zu mobilisieren, was sicherlich ein Erfolg ist.
Ohne das wir einen kompletten Überblick haben was alles BRD-weit gelaufen ist, bleibt aber auf alle Fälle festzuhalten das im Vorfeld der konkreten Erreignisse eine große Schwäche der Kampagne gegen den NATO-Gipfel lag. Die Mobilisierung in der BRD blieb vielerorts zu sehr auf die bereits vorhandenen Kräfte beschränkt und es wurden nur vereinzelt überhaupt Versuche unternommen im Vorfeld öffentliche Aufmerksamkeit durch Aktionen, lokale Demos, Massenverteilungen von Flugblättern etc. zu schaffen. Eine erwähnenswerte löbliche Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang die bundesweit verteilte Kampagnenzeitung „Make Nato History“ aus dem Spektrum der Interventionistischen Linken dar.
Ansonsten muß gesagt werden, dass sich einmal mehr gezeigt hat, dass es trotz der vorhandenen breiten Ablehnung der deutschen Kriegseinsätze in Afghanistan viel schwerer ist, in der BRD gegen kapitalistische Kriegspolitik  mobil zu machen als beispielsweise gegen den G8-Gipfel. Die weltweite Kontinuität der Mobilisierung gegen die G8 hat eine spürbare gesellschaftliche Empörung erzeugt, die konkrete Aktivitäten trägt und fördert. Kämpfe gegen die kapitalistische Kriegspolitik besitzen jenseits von Großmobilisierungen, wie etwa zu Beginn des Irak-Kriegs, aus vielerlei Gründen, die hier nicht alle genannt werden können, zur Zeit in der BRD nicht die selbe Durchschlagskraft. Zu all dem hinzu kommt die Tatsache, dass der „60 Jahre NATO“-Gipfel teils in der BRD Teils im benachbarten Frankreich stattfand, was die Mobilisierung erschwerte.
In Frankreich wurde unseres Erachtens die Mobilisierung nur von Minderheiten der mehr oder minder radikalen Linken getragen und ereichte, was schon an den TeilnehmerInnenzahlen bei den konkreten Ereignissen deutlich wird, längst nicht das dort durchaus mögliche Ausmaß. Die großen französischen Organisationen beteiligten sich nicht an der Kampagne oder betrachteten sie als zweitrangig, so blieb die Mobilisierung kleineren gesellschaftlich wenig verankerten, teils recht spontaneistisch agierenden Gruppierungen und Initiativen überlassen, denen es nicht gelingen konnte eine breite Mobilisierungskraft zu entfalten und den notwendigen gesellschaftlichen Druck im Vorfeld zu erzeugen. Dennoch wurde während der konkreten Aktivitäten in Strasbourg immer wieder deutlich das die Antikriegsbewegung durchaus über einen wahrnehmbaren Rückhalt in der französischen Bevölkerung verfügt.

barricada: Zu den Ereignissen. Wie angekündigt, hatten die BRD und Frankreich das sogenannte Schengener Abkommen ausgesetzt und führten schikanöse Kontrollen durch, erteilten Ausreiseverbote und ließen zahlreiche Straßen sperren. Die Anreise von GegnerInnen der NATO-Kriegspolitik sollte so erschwert, verzögert oder verunmöglicht werden. Wie lief das konkret ab, welche Auswirkungen hatte es und wie schätzt ihr diese Art der vorgelagerten Repression ein?

organiserte autonomie: Bei größeren länderübergreifenden Mobilisierungen gehört das ja heute bereits zum Standartprogramm der europäischen  Repressionsapparate. Durch die Ankündigung von massiven Kontrollen soll bereits im Vorfeld ein Klima der Verunsicherung und Einschüchterung bei potentiellen TeilnehmerInnen erzeugt werden um sie von einer Anreise abzuschrecken. Ansonsten kann für den konkreten Fall gesagt werden, dass das gesamte Programm zur Anwendung kam. Es wurden massiv Kontrollen durchgeführt, es kam im Rahmen dieser zu Drohungen und vereinzelt zu Übergriffen, entgegen der gesetzlich verankerten Unschuldsvermutung und des Rechts auf Demonstrationsfreiheit wurden willkürliche Ausreiseverbote verhängt, von denen Teils Einzelne, Teils alle in einem Kfz reisende betroffen waren. Bei Durchsuchungen von Bussen und PKWs wurden wahllos Gegenstände beschlagnahmt. In einem Nürnberger Auto wurde von den deutschen Ordnungshütern z.B. ein Transparent von uns, zwei Surfbretter und eine Fahne mit dem Aufdruck: „Antifaschistische Aktion“ konfisziert.
Das Recht auf Demonstrationsfreiheit mußte so bereits bei der Anreise durchgesetzt werden, viele taten das auf Schleichwegen oder durch eine zeitige Anreise, andere setzten kollektiv eine Weitereise durch. Welche Auswirkungen der abschreckende Charakter dieser staatlichen Maßnahmen in Verbindung mit der gleichzeitigen kritiklosen Übernahme von Polizeimeldungen in den bürgerlichen Medien hat, ist schwer einzuschätzen. Die Kontrollen, Straßensperrungen etc. im Vorfeld verzögerten aber bei vielen die Anreise und verunmöglichten in einigen Fällen auch jenseits von Ausreiseverboten eine Teilnahme an den Aktivitäten.

barricada: Am Samstag morgen wurde versucht durch Straßenblockaden die Zufahrt zum NATO-Tagungsorte dicht zu machen und damit die Anreise der Teilnehmenden zu be- bzw. zu verhindern. Durch die Blockaden sollte in den Ablauf der Erreignisse eingegriffen werden und die Ablehnung der Kriegstagung symbolisch verdeutlicht werden. Die französischen Polizeieinheiten gingen bereits an manchen Sammelpunkten mit CS-Gasgranaten massiv gegen TeilnehmerInnen vor. Unter Umgehung von Polizeieinheiten versuchten die BlockiererInnen denoch in größeren und kleineren Gruppen und Zügen mit bis zu 400 Teilnehmenden die geplanten Blockadepunkte zu erreichen. Die Polizei schoß den gesamten Vormittag über Gummigeschosse, Gas und Blendschockgranaten auf alle größeren Menschenansammlungen, dem vereibarten Aktionskonsens folgend ließen sich die etwa 3000 TeilnehmerInnen jedoch auf keine Auseinandersetzungen mit den Polizeieinheiten ein, versuchten immer wieder diese zu umgehen und es gelangen schließlich an einigen Stellen auch Blockaden. Ihr und die Interventionistische Linke, in der ihr ja Mitglied seid, habt ja auch zu den Blockaden mobilisiert. Wie schätzt ihr die Blockadeaktionen ein? Und warum gelang es in Strasbourg nicht, wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm den Tagungsort dicht zu machen?

organisierte autonomie: Wir wollen vorausschicken, dass es nur Einzelnen von uns gelungen ist, aktiv an einer Blockade teilzunehmen. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Blockadeaktivitäten gut vorbereitet waren, die Stimmung unter den TeilnehmerInnen kämpferisch war und die Leute sich auch durch das von euch beschriebene Vorgehen der französischen Bullen nicht einschüchtern ließen. Dass trotz der Ankündigung des Polizeieinsatzleiters: „Wenn sie um 7 Uhr (…) auf der Straße sind, werden sie das um zehn nach sieben nicht mehr sein“ und dem dazu passenden Vorgehen der Polzei nicht nur temporäre Blockaden gelangen, sondern es gelang sich den gesammten Vormittag in der Innestadt zu halten und dem Protest vor Ort Ausdruck zu verleihen, ist schon ein politischer Erfolg.
Ansonsten könnte Mensch wie andere darüber spekulieren, ob wir ohne den Aktionskonsenz  mit anderen Mitteln nicht weiter gekommen wären,  wir denken jedoch, dass das nicht der entscheidende Punkt war, warum es nicht gelang den Tagungsort wie in Heiligendamm komplett dicht zu machen. Es herrschten in Strasbourg einfach andere Ausgangsbedingungen. Ob eine Blockade praktisch erfolgreich durchgeführt werden kann, entscheidet sich angesichts der in den Metropolen heute herrschenden Kräfteverhältnisse, wenn es keine überraschende oder spontane Aktion ist, im Vorfeld. In der Mobilisierung muß der gesellschaftliche Druck erzeugt werden, der die Herrschenden dazu zwingt, auf die gewaltsamme Verhinderung einer solchen Aktion zu verzichten. Zur NATO-Kriegskonferenz in Strasbourg, das zeichnete sich bereits im Vorfeld ab, konnte dieser Druck nicht erzeugt werden. In Frankreich waren die an der Vorbereitung der Blockaden Beteiligten zu schwach und von der BRD aus konnte die gesellschaftliche Verankerung selbstverständlich nicht geschaffen werden. Hinzu kommen die unterschiedlichen geografischen Gegebenheiten, weite Felder und Wälder, die der Polizei die Absperrung erschweren in Heiligendamm und besser zu kontrollierende Innenstadtstraßen in Strasbourg.
Weil aber eine Aktion nicht nur an ihrem praktischen gelingen gemessen werden kann, sondern und das vor allem, an dem was sie politisch nach Innen und Außen bewirkt, halten wir es auch im Nachhinein für richtig, zu den Blockaden aufgerufen zu haben.

barricada: Am Nachmittag stand die Großdemonstration an. Der Auftaktplatz am Stadtrand, wie die von der Präfäktur vorgegebene Route durch ein Industriegebiet auf einer Halbinsel, signalisierten bereits im Vorfeld das hier staatlicherseits eine von der Straßbourger …ffentlichkeit wahrnehmbare Demonstration mit Kontakten zur Bevölkerung unterbunden werden sollte. Das es die Staatsorgane dabei nicht belassen würden hat sich schnell gezeigt. So musste der freie Zugang zum Auftaktplatz, an einer nur als völlig illegal zu bezeichnenden Polizeiabsperrung erst mal erkämpft werden. Ankommende TeilnehmerInnen die sich vor der Sperre sammelten und Zugang forderten, wurden mit Gasgranaten beschossen. Im Rahmen einer sich darauf entwickelnden Straßenschlacht gelang es die Straßensperre zu durchbrechen.Ein freier Zugang zur Demonstration wurde jedoch weiterhin durch weiträumige Kontrollen, massive Absperrungen, Straßensperrungen und Umleitungen verhindert, so dass Tausende gar nicht erst zum Auftaktplatz durchkamen. Ein Demonstrationszug von 7000 Menschen aus Kehl der über die Rheinbrücke zum Auftaktplatz kommen wollte, wurde auf deutscher Seite von der Polizei gestoppt und nicht weitergelassen. Einige tausend DemonstrantInnen versuchten vom unmittelbar vor der Grenze gelegenen Auftaktplatz aus die Grenze zu stürmen und einen Zugang der aus Kehl kommenden Demo zu erzwingen. Im Zuge der sich entwickelnden Straßenschlacht wurde eine nicht besetzte Grenzstation in Brand gesetzt. Die Auseinandersetzungen weiteten sich schließlich aus. Ein laut Radiostationen für die Polizei reserviertes leeres Hotel, ein städttischer Infopoint und eine Apotheke wurden in Brand gesteckt. Als die Polizei den in der Nähe der Auseinandersetzungen gelegenen Auftaktplatz zur Demonstration aus Hubschraubern mit Gasgranaten unter Beschuß nahm, wurde die Auftaktkundgebung abgebrochen. Der Zug setzte sich in Bewegung. Über die gesamte Route wurden die TeilnehmerInnen immer wieder mit Gas- und Blendschockgranaten beschossen und es kam an einer in die Innenstadt führenden Brücken zu Auseinandersetzungen.Wie schätzt ihr die Demonstration und die Straßenkämpfe ein? Wie war der antikapitalistische Block der Interventionistischen Linken zu dem ihr ja auch mobiliisert habt?

organisierte autonomie: Obwohl mehreren tausend angereisten AktivistInnen eine Teilnahme auf Grund der polizeilichen Absperrungsringe nicht gelang war die Demo mit über zehntausend TeilnehmerInnen die größte Aktion gegen den Nato-Gipfel in Strasbourg und erzielte wohl auch das größte Medienecho. Die Empörung über die zugewießene Route und das Vorgehen der Polizei war groß, die Stimmung kämpferisch und unseres erachtens von einem solidarischen Umgang geprägt. Dem Antikapitalistischen Block war es in der hektischen Situation, in der der Aufbruch der Demo stattfand, nicht möglich sich wirklich zu sammeln und er war deshalb nicht so groß und wahrnehmbar, wie wir uns das gewünscht hätten.
Unter den in Strasbourg für die Demo staatlicherseits gesetzten Bedingungen musste es zwangläufig zu Auseinandersetzungen kommen, wollte mensch nicht kapitulieren und auf die angemeldete Demonstration ganz verzichten. In Folge der den ganzen Tag anhaltenden staatlichen Schikanen und Übergriffe, die darauf abzielten jede Artikulation von Protest zu verunmöglichen, kam es, wie ihr ja beschrieben habt, dann auch rund um den Auftaktplatz zu militanten Auseinandersetzungen mit den Polizeikräften. Viele hatten einfach die Schnauze voll und entschieden sich das Demonstrationsrecht offensiv durchzusetzen. Die meisten Aktionen waren dabei zielgerichtet, wenn auch einige Sachen passierten die nicht unsere Zustimmung finden.
Der Demonstrationszug war ansonsten sehr lebendig und erwehrte sich der andauernden Polizeiattacken. So wurde den nachrückenden Polizeieinheiten, die die TeilnehmerInnen mit CS-Gasgranaten beschossen durch Barrikadenbau das nachsetzen erschwert. Europaletten und zwei Eisenbahnwaggons dienten dabei als Material.
Eine normale Demonstration mit Kontakten zur Bevölkerung war das selbstverständlich nicht. …ffentlichkeit konnte in diesem Fall nur medial gesichert werden und das gelang dank der Sensationsgier der bürgerlichen Medien in diesem Fall weltweit. Dass die konkreten Inhalte dabei auf der Strecke blieben und die Version von Staat und Polizeiapparat zu den Ereignissen zum besten gegeben wurde, konnte unter den gesetzten Bedingungen nicht mehr beinflusst werden.
Im Allgemeinen trifft für die Demonstration zu, was wir zu den Blockaden schon gesagt haben. Die Schwäche lag nicht bei der Durchführung sondern im Vorfeld. Hier hätten andere, bessere Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

barricada: Zum Schluss möchten wir euch noch um eine kurze Gesamteinschätzung bitten

organisierte autonomie: Dass es nicht umfassend gelungen ist, die eigenen Vorstellungen umzusetzen, wurde ja bis hierher bereits deutlich. Um die 30.000 Menschen konnten dennoch gegen die NATO-Kriegstagung mobilisiert werden, von denen ein hoher Anteil aus der BRD anreiste. Das ist sicherlich, angesichts der seit Jahren, trotz deutscher Kriegseinsätze, bestehenden Mobilisierungsschwäche der BRD-Linken in diesem Themenfeld ein großer Erfolg. Es ist aber auf der anderen Seite personell zu wenig, um sich gegen die faktische Außerkraftsetzung des bürgerlichen Demonstrationsrechts umfassend durchzusetzen. Angesichts der massiven staatlichen Behinderung, der exzessiven und offensiven Gewalt des Repressionsapparates, der offensichtlich darauf abzielte Protest und Widerstand gegen die kapitalistische Kriegspolitik nicht zuzulassen, kann die Mobilisierung denoch unter dem Strich positiv bewertet werden. Wenn auch die Vermittlung eigener Inhalte und vor allem revolutionärer Perspektiven sicherlich nicht im notwendigen Ausmaß gelang, bleibt trotzdem die Tatsache, dass es in Strasbourg den vom Staat gesetzten Bedingungen zum Trotz, gelungen ist, ein weltweit wahrnehmbares Signal gegen die Kriegspolitik der NATO-Staaten zu setzen.
Auf der lokalen Ebene, kann die Mobilisierung sicherlich als Erfolg gewertet werden. Über 150 Menschen sind mit zwei Bussen und zahreichen PKWs nach Straßbourg gefahren, haben sich vor Ort an den Aktivitäten beteiligt und sicherlich allerlei nützliche Erfahrungen gesammelt. Es gelang im Vorfeld begrenzt, aber durchaus gesellschaftlich wahrnehmbar, Inhalte der Kampagne durch zahlreiche Aktivitäten nach außen zu tragen und zu vermitteln. Und auch das soll an dieser Stelle einmal gesagt werden: viele AktivistInnen aus dem Großraum haben in die Organisation und Durchführung der Proteste in Strasbourg viel Zeit und Kraft investiert. Ohne sie hätte zum Beispiel der Aufbau und die Infrastruktur des Camps, über das hier gar nichts gesagt wurde, sicherlich nicht so reibungslos funktioniert.

barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – April 2009