Gegen den NATO-Gipfel in Straßburg, Kehl und Baden-Baden

Am 4. April jährt sich zum 60. Mal die Gründung der NATO (deutsch: Nordatlantikvertrag-Organisation), dem Militärbündnis der westlichen Industriestaaten. Im Rahmen eines NATO-Gipfels in Straßburg, Baden-Baden und Kehl soll dieses Jubiläum kräftig gefeiert werden. Die Wahl, dies in Deutschland und Frankreich zu tun, ist insofern interessant, da Westdeutschland bei der Gründung der NATO noch von den Alliierten besetzt war und erst 1955 dem Militärbündnis beitrat. Der erste NATO-Generalsekretär, der Brite Baron Hastings Lionel Ismay of Wormington hatte das politische Ziel der NATO für Europa in den Fünfzigern so erklärt: „Die Amerikaner drin zu behalten, die Russen draußen und die Deutschen unten.“ Heute ist die Vertragsorganisation auch nach der Auflösung des ehemaligen Hauptfeindes Sowjetunion und mit dem deutschen Imperialismus als Mitglied die zentrale imperialistische politisch-militärische Struktur. Sie dient den westlichen Industriestaaten zur militärischen Durchsetzung ökonomischer Interessen auf dem gesamten Globus. Obwohl die Sowjetunion und damit auch der Ostblock als formierter militärischer Gegner nicht mehr existiert, versuchen die NATO-Staaten mit der Osterweiterung der NATO ihre Einflusssphäre zu erweitern und damit das potentiell immer noch starke Russland einzukreisen und ihre militärische übermacht zementieren. Dies führt, wie man anschaulich 2008 im Fall der Georgien-Krise beobachten konnte, trotz des offiziellen Ende des Kalten Krieges zu heftigen Spannungen zwischen den westlichen Staaten und Russland. Seit der Annexion der DDR durch die BRD ist das Gewicht der BRD in der NATO enorm gewachsen. 1999 führte die NATO einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, der wohl hauptsächlich im Interesse der deutschen Außenpolitik gelegen haben dürfte und maßgeblich von der rot-grünen Bundesregierung angestiftet wurde. Deshalb ist die Feierei in Straßburg, Kehl und Baden-Baden natürlich auch ein Fest für das deutsche Kapital, dessen VertreterInnen sich ein starkes und durchsetzungsfähiges Deutschland wünschen. So wie natürlich auch die Kapitalfraktionen der anderen NATO-Staaten.

Auf zu einer umfassenden Strategie für eine unsichere Welt
Während des Gipfels in Straßburg sollen die Weichen gestellt werden, um die organisatorischen Bedingungen für einen kriegerischen Dauerzustand zu schaffen. Das Strategiepapier „Towards a Grand Strategy for an Uncertain World“ soll neue NATO-Doktrin werden. Kriege sollen zukünftig per Mehrheitsentscheidung beschlossen werden und nur wer mitmacht, darf dann noch über Details bestimmen. Die neue Einsatzgrundlage sieht auch globale Militärinterventionen und Ersteinsatz von Atomwaffen gegen „Schurkenstaaten“ vor. Sie dient der Aufrechterhaltung einer auf Ausbeutung, Unterdrückung und Konkurrenz beruhenden Weltwirtschaftsordnung und versucht dem Metropolenkapital die Kontrolle zu den Rohstoff- und Energievorräten der Welt mit militärischer Gewalt zu sichern. In Zeiten immer knapper werdender Rohstoffe, einer erstarkenden Weltmarktkonkurrenz durch China, Indien und Russland sowie steigendem Selbstbewusstsein in Regionen wie z.B. Lateinamerika, wächst die Bedeutung dieser Strategie. Natürlich gibt es aber neben dem Widerstand in den Ländern, deren Rohstoffe und Bevölkerung ausgebeutet werden sollen, auch Widerstand in den Metropolen selbst. Während in Straßburg, Kehl und Baden-Baden die NATO von den Herrschenden als aktuell unverzichtbare Militärstruktur abgefeiert werden soll, planen GegnerInnen der imperialistischen Kriegspolitik dieses Ereignis zu nutzen, um die Existenz der NATO in Frage zu stellen. Auf einer Aktionskonferenz am 14. und 15. Februar 2009, an der  über 500 Menschen aus 19 Ländern teilnahmen, war es Grundkonsens, dass 60 Jahre NATO mehr als genug sind. Die TeilnehmerInnen aus Friedens- und globalisierungskritischen Bewegungen, linken Parteien und Organisationen, Gewerkschaften und studentischen Initiativen einigten sich auf Protest- und Widerstandsaktionen gegen den NATO-Gipfel. Geplant sind „Aktionen des zivilen Ungehorsams“, eine Großdemonstration am 4. April und ein Gegenkongress. Die „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ werden wohl im wesentlichen Massenblockaden des Gipfelortes sein. Auf der Aktionskonferenz am 14./15.2.2009 in Straßburg wurde zur Vorbereitung dieser Aktionen die Initiative Block NATO gegründet. Ziel ist es, am Morgen des 4. April mit tausenden Menschen die Zufahrtswege zum Tagungsort in Straßburg zu besetzen und den Gipfel so von seiner Infrastruktur abzuschneiden. Es soll, so Block NATO, verschiedene Blockadepunkte mit verschiedenen Aktions- und Ausdrucksformen geben, die sich solidarisch aufeinander beziehen sollen. Ein internationales Vorbereitungstreffen ist für 7. und 8. März in Straßburg geplant (http://www.block-nato.org/). Ebenfalls am 4. April soll auch die Großdemonstration in Straßburg stattfinden. Auch wenn sich viele Organisationen und Initiativen bereits im Vorfeld zur Gewaltfreiheit bekennen, ist dies natürlich kein Grund für die Repressionsbehörden, nicht den Ausnahmezustand für den 4. April zu planen. Besonders auf deutscher Seite scheint man öffentlichkeitswirksamen Protest mit allerlei Schikanen verhindern zu wollen. Camps für GipfelgegnerInnen wurden schlicht verboten und Kehl soll für die Zeit des NATO-Gipfels zum Sperrgebiet erklärt werden, in dem sich nicht mal mehr AnwohnerInnen frei bewegen können. Dass das an den G8-Gipfel erinnert, ist kein Zufall. Die Eskalation in Rostock hat bei der Polizeiführung, die für diese verantwortlich war, nicht zu einem Umdenken, sondern eher zur Einstellung „jetzt zeigen wirÔs denen erst Recht!“ geführt. Die völkerverbindende Wirkung der NATO wird sehr schön durch die geplante Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen Frankreich und Deutschland während des Gipfels sichtbar. Auch Bundeswehreinsätze zur Unterstützung der Polizei sind bereits geplant. Schön, dass damit eigentlich schon im Vorfeld klar wird, wie „freiheitlich“ und „demokratisch“ das von der NATO zu schützende System ist.

Lokale Mobilisierung in Nürnberg
Damit auch wirklich viele Tausende ihren Weg nach Straßburg finden, gibt es in vielen Städten im Vorfeld Mobilisierungsaktionen. Auch hier in Nürberg ist einiges geboten. Am 7. März wird in der Desi in einer von der organisierten autonomie (OA) veranstalteten ganztätgigen „Konferenz gegen Krieg und Militarismus“ inhaltlich über und gegen die NATO-Kriegspolitik diskutiert werden, wobei natürlich auch die Praxis nicht zu kurz kommen soll. Am 14. März, dem Aktionstag gegen Militarismus, wird es in Nürnberg eine Bündnisdemonstration, initiiert von der Radikalen Linken und eine Agit-Prop-Aktion der OA gegen kapitalistischen Krieg und NATO geben. Und am 25. März können dann noch mal die neuesten Neuigkeiten von allen Interessierten in der Desi abgegriffen werden. Nicht nur nach Straßburg zu fahren, sondern auch vor Ort die Kriegspolitik der NATO zum Thema zu machen, hat aber natürlich nicht nur Mobilisierungsgründe. Die Kriege der NATO finden zwar in  fernen Ländern statt, die dafür notwendige Militarisierung der Gesellschaft passiert aber direkt vor unserer Haustüre. Gerade hier in Mittelfranken befinden sich die US- und Bundeswehrstandorte in Grafenwöhr, Ansbach und Roth. Der Nürnberger Flughafen wurde im Irakkrieg als Drehkreuz für US-Truppen genutzt. Auch der Konzern DIEHL, der ein Drittel seines Umsatzes mit der Rüstungsindustrie macht, hat seinen Hauptsitz in Nürnberg. Widerstand gegen den imperialistischen Krieg der Metropolen kann im Moment am besten als Widerstand gegen die Militarisierung der Gesellschaft geleistet werden. Die Funktion von Militärstandorten muss öffentlichkeitswirksam skandalisiert werden. Propagandaoffensiven der Bundeswehr muss entschlossen begegnet werden, dass heißt jedes Gelöbnis, jeder Versuch der Bundeswehr in Schulen oder Arbeitsagenturen für ihre Zwecke zu werben muss auf Protest und Gegenwehr stoßen. Letztendlich beendet werden kann die kapitalistische Kriegspolitik natürlich erst mit der Abschaffung des Kapitalismus selbst. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass Widerstand und Protest gegen Krieg schon oft der Geburtshelfer für umfassende gesellschaftliche Umwälzungen waren. Deshalb muss die geplante Feier der kapitalistischen Kriegspolitik zu einem Fest des Antimilitaristischen Widerstands werden.

Samstag, 7. März 2009, 13 Uhr, Desi, Brückenstr. 23
Konferenz gegen Krieg und Militarismus
13.00 Uhr: Begrüßung und Einleitung
13.30 Uhr: Wozu sind Kriege da?
Der Kapitalismus seine Krisen und Kriege – Imperialismus und die herrschende Weltordnung (mit Peter Decker, Redaktion Gegenstandpunkt)
15.00 Uhr: Was ist die NATO?
Geschichte, Funktion, Strategien und Praxis eines Kriegspaktes (mit Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen)
16.30 Uhr: Wie sieht die deutsche Kriegspolitik aus? Welche Rolle spielt Nürnberg und Mittelfranken als Militärstandort?
Militarisierung der deutschen Politik, Bundeswehreinsätze, antimilitaristischer Widerstand in der BRD und Ansatzpunkte lokaler Aktivitäten.(mit Rote Aktion Kornstraße Hannover und Ewald Ziegler (Nürnberger Friedensforum, angefragt))
18.00 Uhr: Pause mit Volxküchen-Essen
19.30 Uhr: Podiumsveranstaltung zu den Aktionen gegen Krieg und den Nato-Gipfel in Strasbourg „Antimilitaristische Praxis – der Kampf gegen die KriegspolitikÓ
Mit: Einem Deserteur der Iraq Veterans Against the War, Initiative Libertad Frankfurt, regionales Bündnis „Resistance des deux rives / Widerstand der zwei UferÓ, „Bündnis für die Einstellung des ¤129a-Verfahrens gegen AntimilitaristenÓ Berlin
22:30 Uhr: Party!
mit Impulse-DJ-Team, amplified.attitude und Kampfansage (DJ Rehnade und Freundin)
Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenlos, aber Spenden sind erwünscht! Eintritt Party: 4 Euro

Samstag, 14. März, 12 Uhr Lorenzkirche
Agit-Prop-Aktion „Gegen kapitalistische Kriegspolitik“

Samstag, 14. März, 14 Uhr, Weißer Turm

Lokale Demonstration gegen das NATO-Jubiläum
Motto: „Krieg ist kein Grund zu feiern! NATO ABSCHAFFEN! Für eine Welt jenseits von Krieg und Kapitalismus“

Samstag, 21. März, 18 Uhr, Schwarze Katze
Café der Autonomen Jugendantifa: Infos zum NATO-Jubiläum und den Protesten dagegen

Mittwoch, 25. März, 19 Uhr, Desi

LATEST NEWS – Info- und Mobilisierungsveranstaltung

Mittwoch, 1. April, Strasbourg

Beginn des Camps, abends: Eröffnungskonzert

Donnerstag, 2. April, Strasbourg, Kehl
Aktionstag zu verschiedenen Themen

Freitag, 3. April
Gegenkongreß + Protest- und Störaktionen gegen die NATO-Staatschefs

Samstag, 4. April
Morgens: Blockaden und Aktionen gegen den NATO-Gipfel
13 Uhr: Großdemonstration in Straßburg mit internationalistischem Block

Mehr Infos: no-to-nato.org | redside.tk

Quelle: barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur – Ausgabe März 2009