Zum Internationalen Frauenkampftag 2013

Auch nach über 100 Jahren hat der internationale Frauenkampftag nicht an Aktualität und Notwendigkeit eingebüßt. In Indien protestierten Tausende Menschen tagelang gegen die Gewalt an Frauen, nachdem eine 23-jährige Frau in einem Bus von einer Gruppe von Männern vergewaltigt wurde und nach 10 Tagen ihren Verletzungen erlag. Die Frauen und solidarische Männer begehrten auf und es kam zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und DemonstrantInnen. Appelle an den Staat, sich mehr um die Sicherheit von Frauen zu kümmern, sind wohl ebenso fehl am Platz, wie der Ruf nach der Todesstrafe für Vergewaltiger. Die Polizei im Staat Indien bedient sich der sexualisierten Gewalt ebenso wie die Täter, die nun angeklagt sind. Immer wieder kommen Nachrichten ans Tageslicht, die mit der Verfolgung der maoistischen NexalitInnen in Verbindung stehen. In ihren Reihen sind auch 30% Frauen aktiv und wenn diese gefasst werden, berichten sie immer wieder von Gruppenvergewaltigungen sowie sexueller Demütigung und Folter während der „Verhöre“.

Ziel ist es zum einen Informationen über die Strukturen der NexalitInnen zu erfoltern, zum anderen aber auch psychische Angst unter den kämpfenden Frauen zu verbreiten, so dass diese sich von den Guerillas abwenden. Eine der gefolterten und vergewaltigten Nexalitinnen trat mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Doch die Resonanz ist ebenso wie bei vielen Anzeigen wegen Folter, Körperverletzung und Vergewaltigung in Haft oder Verschleppungen gleich Null. Im Gegenteil: der Polizist, der von der Betroffenen als Haupttäter genannt wurde, erhielt wenig später eine Auszeichnung wegen seines Einsatzes gegen die Maoisten. Die Praxis des systematischen Einsatzes von Vergewaltigungen als Strategie im Kampf gegen die Nexalitinnen, lässt die öffentlichkeitswirksame Inszenierung einer Verurteilung der jüngsten Vorfälle geradezu absurd wirken. Dort, wo der Staat um seinen Machterhalt fürchten muss, ist ihm natürlich jedes Mittel recht und billig. Alle, die in Indien heute die Todesstrafe oder ein Handeln des Staates wünschen, sollten sich dessen bewusst sein und die Systematik bekämpfen, die diese ekelhafte Praxis nach sich zieht.

Viele Frauen in Indien versuchen durch Selbsthilfe zumindest die eigene Unversehrtheit zu ermöglichen. Geschäfte verzeichnen dort einen rapiden Anstieg des Verkaufs von Pfeffersprays und Frauen stellen vermehrt Anträge auf einen Waffenschein und belegen Selbstverteidigungskurse. Eine zusätzliche Folge der Attacken auf Frauen ist, dass immer mehr ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz kündigen, wenn sie vor allem in den Abendstunden nach Hause müssten. Die private Industrie reagiert auf dieses Phänomen, weil sie auf die Frauen in den Billiglohnstätten angewiesen sind und stellen ihnen teilweise Schutzmänner ab, die in den Nachtbussen eingesetzt werden. Der einzige Grund den Frauen also ein wenig Schutz zu Teil werden zu lassen, ist die Notwendigkeit der Unversehrtheit ihrer Arbeitskraft.

Die Frauen in Indien haben einen langen und schweren Kampf vor sich, um zumindest einen mit Europa oder Nordamerika vergleichbaren gesellschaftlichen Stand zu erreichen. Zwar hat Indien einen massiven Industrieboom, der sich langsam auch auf dem Lande zeigt. Hier wird zunehmend Land aufgekauft, sich- selbstversorgende Bauern vertrieben und ganze Dörfer wegen riesiger Staudammprojekte platt gemacht. Aber zu beachten bleibt, dass dies ein Prozess des Kapitalismus ist, den zum Beispiel Deutschland schon vor über 100 Jahren durchlaufen hat. Wer sich beschwert, dass die Forderungen einiger indischer AktivistInnen durchweg reaktionär sind, hat objektiv Recht, muss sich aber auch den Stand der Produktivkräfte und Kämpfe in diesem Land bewusst sein. Der Kampf um bürgerliche Rechte kann in diesen Ringen am Anfang stehen, aber wenn sie nicht darüber hinaus gehen sollten, erwartet sie auf lange Sicht ein Patriarchat wie hier in Deutschland – subtiler, mehr auf den Erhalt der Arbeits- und Reproduktionskraft bedacht und weil der Staat seine Aufgabe als Kontrollorgan total(itär) ausübt auch eine relative Sicherheit auf den Straßen. Das ist aber immer noch eine patriarchale Gesellschaft und wer diese endlich auf den Müllhaufen der Geschichte werfen will, muss mit dem Kapitalismus, der sich die hässliche Fratze des Patriarchats geschickt zu Nutze gemacht hat – offen gewalttätig wie in Indien oder subtil kontrollierend wie in Deutschland – genauso verfahren.

Wie in jedem Jahr, wird es auch in Nürnberg Aktionen rund um den 8. März geben. Am Freitag wird es ab 15 Uhr verschiedene Stände, Aktionen und Informationen am Weißen Turm geben. Am Samstag, den 9. März findet um 13 Uhr vor dem K4 der Auftakt zur Demonstration statt.

Erschienen in barricada – Februar 2013