Ein bitterer Empfang ?für die CSU in Gostenhof

Denkt die CSU an Gostenhof in der Nacht, dann ist sie um den Schlaf gebracht. Und weil das so ist und gerade Wahlkampf auf der Tagesordnung steht, hatte sich die Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion entschlossen am 6. Mai einen ihrer „Fraktion direkt“ Propagandatermine im ArbeiterInnenstadtteil Gostenhof abzuhalten.
Der medialen Hetzkampagne der Partei über angeblich unzumutbare Verhältnisse im Jamnitzer Park, über Graffitis, über den Kampf gegen hohe Mieten, Yuppiesierung und angebliche nächtliche Ruhestörungen im Stadtteil, sollte nun ein mitten in Gostenhof stattfindender Ortstermin auf dem Fuß folgen. Die eigene in Gostenhof kaum vorhandene Klientel sollte damit aktiviert und unter den in den letzten Jahren hinzugezogenen neureichen KleinbürgerInnen neuer Anhang geworben werden.

Um der CSU-Fraktion und ihren Blockwarten in Gostenhof die Propaganda-Tour zu versauen und ihr den ihr gebührenden Empfang zu bereiten, waren nach Bekanntwerden des Termins nur wenige Tage Zeit. Die Lage vor Ort dennoch ein wenig dem anzupassen, was jene treudeutschen Rathausmicheln aus ihren Alpträumen zu kennen glauben, wurde nach dem 1. Mai spontan von organisierter autonomie (OA) und Revolutionär Organisierter Jugend Aktion (ROJA) angekündigt und zu diesem Zweck einiges in Bewegung gesetzt.

Knapp sechzig AnwohnerInnen, darunter Jugendliche wie RentnerInnen und natürlich viele AnhängerInnen der Autonomen waren schließlich gekommen und bereiteten den ungebetenen BesucherInnen einen heißen Empfang. Ein wenig Müll sorgte, über den Platz verteilt, neben den extra mit Bierflaschen versehenen Protestierenden für das von der CSU herbeifabulierte Ghettoambiente. Flyer, Schilder und Transparente von OA, ROJA und Mieterinitiative sorgten bei PassantInnen für Aufklärung über Gentrifizierung, hohe Mieten und Kapitalinteressen im Stadtteil, der Bürgerverein Gostenhof zeigte sich diskussionsbereit aber wenig aufgeschlossen gegenüber der Partei-Propaganda und die vielen Jugendlichen forderten einfach „Verpisst euch!“.

Gekommen war die CSU-Fraktion um für Ordnung, Sauberkeit, ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und natürlich in erster Linie für sich zu werben. Konfrontiert wurde sie mit Kapitalismuskritik, mit dauerhafter lauter Elektromusik, der Korruption in ihren Reihen, mit Steuerbetrug, dem eigenen Rassismus, mit hohen Mieten, der Forderung nach einem Verbot ihrer Partei, dem NSU-Staat sowie einer verankerten antikapitalistischen Haltung.

Vereinzelt, das soll hier nicht verschwiegen werden, drückten sich auch Grüne und Sozialdemokraten zwischen den Protestierenden herum. Sie waren gekommen um der konkurrenten Verwandtschaft aus dem Stadtrat das Wahlkampf-Terrain nicht zu überlassen. Sie fühlten sich trotz Schadenfreude im Jamnitzer Park jedoch wohl ähnlich unwohl wie ihre konservativen KollegInnen und hatten wie schon lange zum Protest auch nichts beizutragen.

Insgesamt war also einiges los beim Ortstermin der CSU in Gostenhof. Viele waren gekommen, ausgeblieben war neben dem Anhang der Partei, erstaunlicher Weise nur ein Polizeieinsatz. Auf Flehen der CSU hatte sich ein die Lage beobachtendes Vorrauskomando entschieden, nicht zuzuschlagen. Die lokale Parteileitung hatte wohl nicht zu unrecht befürchtet, durch einen weiteren normalen Einsatz der Prügelgarde USK bei ihrem Termin in Gostenhof auch noch die letzten Propagandaeffekte und Reste demokratischer Glaubwürdigkeit zu verspielen.

Erschienen in barricada – Juni 2013