1. Mai-Demo 2013 in Nürnberg

Die revolutionäre 1. Mai-Demo in Nürnberg fand dieses Jahr unter dem Motto „Zusammen die kapitalistische Ruine zum Einsturz bringen – für die soziale Revolution“ statt. Veranstaltet wurde die Demonstration, die es nun schon seit 1992 gibt, auf Initiative der organisierten autonomie (OA) von dem revolutionären 1. Mai-Bündnis. Dem Bündnis hatten sich auch dieses Jahr wieder etwa zwei Dutzend Gruppen und Initiativen angeschlossen. Der Aufruf zur Demonstration stellte dieses Jahr die Notwendigkeit in den Mittelpunkt, für die eigene Existenzsicherung und die eigenen primären Interessen, z.B. für bezahlbaren und guten Wohnraum, zu kämpfen. Propagiert wurde Solidarität in diesen Basiskämpfen und dass es wichtig ist, sich zusammenzuschließen. Die 1. Mai-Demo und das anschließende Straßenfest in Gostenhof bieten definitiv Möglichkeiten, auf andere mit den herrschenden Verhältnissen Unzufriedene zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ganz allgemein ist es seit 1992 das erklärte Ziel der Veranstalterinnen, mit der Demo Menschen aus Bayern/Süddeutschland die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen linken Inhalte auf die Straße zu tragen und dazu beizutragen, gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung einzutreten. Etwa 2500 Menschen nahmen diese Möglichkeit dieses Jahr wahr. Bereits auf dem Weg zur Demonstration war einiges anders als sonst. Viele DemonstrationsteilnehmerInnen sammelten sich vor den Zugängen zum Auftaktkundgebungsplatz, um dann gemeinsam den Platz zu betreten. In den Jahren zuvor hatte die Polizei sich an den Zugängen postiert und nahezu alle DemonstrationteilnehmerInnen durchsucht. In manchen Jahren wurden sogar auch die Personalien aller Durchsuchten von USK-Beamten aufgeschrieben.

Keine Polizei – Kein Stress

Die Veranstalter der Demonstration hatten deshalb schon letztes Jahr im Vorfeld beschlossen, die Vorkontrollen auf Video zu dokumentieren und Anwälte zu engagieren, vor Ort zu sein, um Druck auf die Sicherheitskräfte auszuüben und Rechtsbrüche zu dokumentieren. Außerdem wurden systematisch Flugblätter an Demonstrationsteilnehmer verteilt, die über ihre Rechte bei Polizeikontrollen informierten. Bereits im letzten Jahr hielt sich die Polizei merklich zurück, was relativ eindeutig mit der Beobachtung ihres Verhaltens zu tun haben dürfte. Dieses Jahr fanden tatsächlich nur noch sehr wenige Vorkontrollen statt, die Polizei beschränkte sich auf das Monieren von zu langen Transparent-Stangen und das Einsammeln von per Auflagenbescheid verbotenen Glasflaschen. Die DemonstrantInnen, die sich vor den vermeintlichen Kontrollstellen gesammelt hatten, konnten also in den allermeisten Fällen ungehindert zum Demo-Auftakt gehen, so wie es eigentlich sein sollte. Die Polizei hielt sich also in Nürnberg am 1. Mai diesmal stark zurück. Wer schon länger diese Demonstration besucht, kann sich vielleicht erinnern, dass noch vor wenigen Jahren Polizeiprovokationen nicht nur während des Auftaktes, sondern den ganzen Tag über vorkamen. Noch im Mai 2011 beklagte Innenminister Herrmann 27 verletzte Polizisten in Nürnberg. Ein härteres Vorgehen wurde angekündigt. Dennoch hatte man sich, zumindest für den 1. Mai, in Nürnberg bei der Polizei offensichtlich anders entschieden, nämlich lieber auf Abstand zu gehen, wenn die revolutionäre Linke am 1. Mai den Kampftag der ArbeiterInnenklasse begeht. Die Straße gehört – vorläufig – uns. Ein Polizeispalier, wie bei den meisten anderen von vielen radikalen Linken besuchten Demos oder gar eine Auflösung durch Wasserwerfereinsatz wie z.B. dieses Jahr am 1. Mai in Hamburg gab es in Nürnberg nicht. Dennoch, der über Jahre erkämpfte Status der revolutionären 1. Mai-Demo, die wohl für bayerische Verhältnisse erstaunlich wenig Repression erfährt, ist nicht vom Himmel gefallen. Dass dort ohne größere Probleme demonstriert werden kann, liegt nicht an einer seltsamen Laune der Polizei, sondern daran, dass die VeranstalterInnen sich immer wieder neue Möglichkeiten überlegt haben, auf staatliche Repression zu reagieren und dass die DemonstrantInnen, vor allem der Block an der Spitze der Demonstration, sich noch nie hat vom Staat vorschreiben lassen, wie zu demonstrieren ist. Allerdings fiel dieses Jahr auf, dass der Block auch schon mal größer und die hiesigen AktivistInnen auch schon mal kreativer waren, was den Ausdruck der Demonstration angeht.

BewohnerInnen der neuen ?Flüchtlingsunterkunft in Gostenhof gegrüßt

Ein weiterer Höhepunkt der diesjährigen 1. Mai-Demo war die Zwischenkundgebung an der Flüchtlingsunterkunft in der Kohlenhofstraße. Dort wurden die BewohnerInnen der Unterkunft von der Demonstration begrüßt und die DemonstrationsteilnehmerInnen und AnwohnerInnen wurden in teilweise mehrsprachigen Redebeiträgen auf die Situation von Flüchtlingen in der BRD aufmerksam gemacht. Keine besonders ausgefallene Aktion, aber eine schöne solidarische Geste gegenüber den Neu-GostenhoferInnen in der Kohlenhofstraße.

Ausgeklungen ist der 1. Mai, wie auch schon die letzten zwei Jahrzehnte, mit dem internationalistischen Straßenfest in der Müllnerstraße. Eine diesmal wirklich sehr internationale Auswahl an Bands begleitete das Feiern bis in die Abendstunden.

Erschienen in barricada – Juni 2013