Aktionen gegen staatliche Repression in Nürnberg und Fürth

Bereits zum dritten Mal innerhalb von wenigen Wochen wurde vom Landgericht Nürnberg-Fürth ein Urteil des umstrittenen Fürther Jugendrichters Gerd Engelhardt teilweise aufgehoben. Vor dem Landgericht stand am 26. November ein Fürther Jugendlicher, der von Engelhardt in der ersten Instanz wegen beschriften eines Parkscheinautomats mit einem Edding zu einer sehr ungewöhnlichen Jugendstrafe verurteilt worden war. Neben einem Wochenende Jugendarrest waren es vor allem die weiteren Auflagen, die das Urteil zum Skandal werden ließen: Ein Jahr Stadionverbot und, man höre und staune, das Verbot an „öffentlichen Auftritten der Antifa teilzunehmen“. Das Berufungsgericht ließ die Auflagen, fallen, verurteilte den Jugendlichen aber wieder zu einem Wochenende Jugendarrest. Wenig überraschend, war das Ziel der Berufung doch schließlich, das rechtlich fragwürdige und offensichtlich politisch motivierte Antifa-Verbot aufzuheben. Doch die Kosten für das Gerichtsverfahren muss trotzdem der Angeklagte zahlen, obwohl er ja offensichtlich zu Recht geklagt hatte.

Einschüchterung durch haarsträubende Urteile?

Dieser Prozess war der vorläufig letzte in einer Reihe von Berufungsprozessen, die allesamt von den Angeklagten mit dem Ziel geführt wurden, Urteile des Jugendrichters Gerd Engelhardt aufzuheben. Zusammen mit dem Skandalurteil Engelhardts gegen vier Antifaschisten, denen vorgeworfen wurde, mit Kreide Hauswände beschriftet zu haben, bildete er den Aufhänger für eine Kampagne gegen Repression im November. Wegen der offensichtlich zunehmenden Repression gegen linke Strukturen und Personen hatte ein Solidaritätsbündnis bestehend aus der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) der organisierten autonomie (OA) und des Antifaschistischen Aktionsbündnis (AAB) mit Unterstützung weiterer Gruppen zu Aktivitäten gegen staatliche Repression aufgerufen. Ein weiterer Berufungsprozess gegen einen jungen Antifa fand bereits am 29. Oktober statt. Dem Jugendlichen wurde vorgeworfen, einen Republikaner-Stadtrat bedroht zu haben. Auch in diesem Prozess wurde zwar der Angeklagte nicht freigesprochen, das von Richter Engelhardt zusätzlich zum Jugendarrest verhängte Stadionverbot aber aufgehoben. Am Abend nach dem Urteilsspruch demonstrierten spontan etwa 40 Menschen in Nürnberg von der Lorenzkirche zum Plärrer, um gegen das Urteil zu protestieren und um auf die kommenden Aktionen gegen Repression aufmerksam zu machen. Nach der Demo zogen noch einige Dutzend DemonstrantInnen durch das Plärrer-Zwischendeck und riefen u.a. „Wir demonstrieren wo wir wollen – auch in euren U-Bahn-Stollen.“

Selten in Bayern: Freispruch für Antifas
Höhepunkt der Kampagne war der Berufungsprozess gegen die vier Antifaschisten, denen das Malen mit Straßenmalkreide auf Häuser vorgeworfen wurde. Vor dem Prozess beteiligten sich etwa 60 FrühaufsteherInnen bereits um 8:15 Uhr an einer Solidaritätskundgebung vor dem Justizpalast in der Fürther Straße. Bevor jedoch alle solidarischen ZuschauerInnen in den Gerichtssaal eingelassen wurden, mussten sie sich, wie bei einem Prozess in einem Mafia-Film, nach Metallgegenständen durchsuchen lassen, was den Prozessverlauf etwas verzögerte. Den vier Angeklagten wurde vorgeworfen, in der Nacht vor einer erfolgreichen antifaschistischen Demonstration gegen Nazitreffpunkte in Fürth mit Straßenmalkreide antifaschistische und antikapitalistische Parolen an Hauswände gemalt zu haben. Einen der Beschuldigten erklärte Engelhardt im ersten Prozess in Fürth zusammen mit der Staatsanwaltschaft zum Hauptangeklagten, weil er sich „schuldig“ gemacht hatte, eine antifaschistische Demonstration gegen die wachsende Naziszene in Fürth angemeldet zu haben. Er blieb mit 60 Tagessätzen für den „Hauptangeklagten“ und zwei Wochenenden Jugendarrest zwar unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, ließ sich aber sowohl im Gericht als auch in der Urteilsbegründung immer wieder über das angeblich „fanatisch orientierte Verhalten“ und die „mangelnde Kraft zur Differenzierung“ der Angeklagten aus. Dabei setzte er antifaschistisches Handeln mit Naziumtrieben gleich. Auch die Ausführungen des Rechtsanwaltes, dass mit Kreide auf Wänden zu malen keine Sachbeschädigung darstellt, spielten für Richter Engelhardt keine Rolle. Auffällig während des Prozesses war, dass es keinerlei Beweise gegen die Angeklagten gab. Natürlich gingen die Angeklagten gegen dieses Skandalurteil in Berufung, so wie die Staatsanwaltschaft, der die Strafe zu gering war. Der Berufungsprozess endete mit einem Freispruch. Richter Pühringer führte zwar aus, dass er keinen Zweifel daran hätte, dass die Angeklagten mit Kreide gemalt hätten, nur dass sie genau die ihnen vorgeworfenen Häuser bemalt haben sollen, konnte nicht bewiesen werden.
Die Frage, ob das Bemalen von Hauswänden mit Straßenmalkreide überhaupt eine Straftat ist, blieb dadurch, wahrscheinlich absichtlich, ungeklärt.
Nach dem gewonnenen Prozess war die Freude bei den Angeklagten natürlich groß und der Freispruch wurde von vielen auch als Ergebnis der breiten Öffentlichkeitsarbeit gesehen, die von spontanen Kreidemalaktionen bis zu Demonstrationen reichte. Vor dem Prozess wurden tausende Flugblätter in Nürnberg und Fürth verteilt, die über diesen Prozess und staatliche Repression aufklärten. Der durch die Aktivitäten erzeugte politische Druck veranlasste auch die Lokalpresse in zahlreichen Artikeln das Thema aufzunehmen. Am Wochenende nach dem Prozess fand dann eine vom Solidaritätsbündnis organisierte Doppeldemonstration in Nürnberg und Fürth statt. Sowohl in Nürnberg, als auch Fürth beteiligten sich etwa 500 Menschen. Die Polizei zeigte sich, wohl um weiterer Kritik vorzubeugen, ungewohnt zurückhaltend. So gab es zwar von Anfang an penetrante Filmteams der Polizei zu sehen, aber keine der sonst üblichen schikanösen Vorkontrollen. Sowohl in Nürnberg als auch in Fürth war die Stimmung gut, lediglich gegen Ende der zweiten Demo war ein bisschen die Luft raus.

Und wie weiter?

Es bleibt abzuwarten, ob Polizei und Justiz in Zukunft sich zumindest an das hier geltende Recht  halten werden, anstatt politisch motiviert gegen Linke und andere aus ihrer Sicht störende Bevölkerungsgruppen vorzugehen. Bereits bei den Protesten gegen den Thor-Steinar-Laden in Nürnberg zeigte sich aber leider, dass zumindest beim USK der Knüppel nach wie vor recht locker sitzt. Aufklärung über Repression durch staatliche Behörden bleibt also weiter notwendig. Gerade niederschwellige politische Repression muss ernst genommen und im Ansatz bekämpft werden. Zu warten, bis der Staat die schweren Geschütze auffährt, ist sicher der falsche Weg.