Solidaritaet mit den kaempfenden iranischen Fluechtlingen

Flüchtlinge sollen, wenn es nach den Herrschenden geht, Opfer bleiben. Opfer der mörderischen Umstände in ihren Heimatländern oder, wenn sie es schaffen hierher zu kommen, Opfer des deutschen Staates und seiner Abschiebebehörden. Beispiele für Selbstorganisation und Gegenwehr gibt es natürlich – aber noch zu wenig. Solidarität mit Flüchtlingen gibt es selbstverständlich auch – doch auch davon noch viel zu wenig. Einige Flüchtlinge aus dem Iran haben nun in Würzburg den Kampf gegen das menschenverachtende Abschiebesystem aufgenommen. Mit einem vielbeachteten Hungerstreik und öffentlichem Protest setzen sie dem Staat ein Ultimatum.
Am 30. April lief die von den Iranern gesetzte Frist an das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), sie als politische Flüchtlinge anzuerkennen aus. Seit diesem Tag sind sie wieder in den verschärften Hungerstreik getreten. Verschärft in dem Sinne, dass sie gänzlich auf die Einnahme von allem außer Wasser verzichten.
Es war der 19. März, an dem die zehn iranischen Flüchtlinge das erste mal in den Hungerstreik traten. Nach voran gegangenen Demonstrationen und Kundgebungen, die alle ohne die erhoffte Reaktion seitens des Staats blieben, nahmen sich die Flüchtlinge einem radikaleren politischen Druckmittel an. Doch um den Druck zu verschärfen und die breite Öffentlichkeit zu erreichen, konnten sie nicht in dem ihnen zugewiesenen menschenunwürdigen Unterkünften bleiben. Vor dem Würzburger Rathaus schlugen sie ihr Protestcamp auf. Sofort ernteten die Flüchtlinge Solidaritätsbekundungen aus ganz Deutschland. Auch die Presse war alarmiert worden. Die Hungerstreikenden veröffentlichten eine Pressemitteilung, in der sie klarstellten, dass ihr Protest weit über eigennützige Interessen hinaus geht. In einem ausführlichen Forderungskatalog stellten sie an die deutsche Regierung Forderungen, die die gesamte Flüchtlingspolitik hierzulande betrifft. Unter anderem die Auflösung der Massenunterkünfte und der Residenzpflicht und die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu sichern. Ihre Hauptforderung war allerdings, dass ein/e Vertreter/in des BAMF zu ihnen nach Würzburg kommt und sie als politische Flüchtlinge anerkannt werden. Auch forderten sie das Erscheinen von Christine Haderthauer, die bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Sie sollte mit den Hungerstreikenden über die derzeitige Flüchtlingspolitik in Bayern sprechen. Jedoch blieb ihr Erscheinen bis heute aus. Und auch erst nach 18 Tagen, nach dem bereits zwei der Flüchtlinge ins Krankenhaus eingeliefert wurden, bequemten sich diverse Regierungsvertreter/innen, darunter Dr. Michael Griesbeck (Vizepräsident des BAMF) und ein Ministerialdirigent des bayerischen Sozialministeriums, nach Würzburg. Nach einem mehrstündigem Gespräch und der Zusage des Vizepräsidenten des BAMF, ihre Asyl- und Folgeanträge in wenigen Wochen zu bearbeiten, setzten die Iraner den Hungerstreik aus. Um den politischen Druck aufrecht zu erhalten kündigten sie an, den Hungerstreik nach dem Ablauf einer von ihnen gesetzten Frist wieder aufzunehmen.
Während dieser Zeit, am 14.04. wurde eine lautstarke Demonstration in Würzburg abgehalten, an der sich mehr als ein Dutzend Nürnberger/innen beteiligten. Allein die Veröffentlichung eines Zugtreffpunktes auf dem linken Internetportal Redside reichte aus, um die Anreisenden vom Nürnberger Hauptbahnhof aus von Zivis der Bundespolizei beschatten zu lassen. Im Zug nahm die Schikane durch die gezielte Aufnahme der Personalien ihren Lauf. Doch dass dies den Bullen nicht genügt, wurde deutlich, als eine Hundertschaft in Würzburg, mit Hunden verstärkt, auf die Anreisenden wartete. Jedem/r widmeten sich zwei Beamt/innen, fixiert mit dem Gesicht zur Wand wurden alle genauestens Durchsucht. Das sollte an diesem Tag nicht die letzte Schikane gewesen sein.
Die Spitze der Demonstration bildete ein linksradikaler Block, der sich hinter dem Solitransarent der ROJA aufstellte. Die zu Beginn kleine Demonstration wuchs schnell auf 450 Personen an. Die Zwischenkundgebung füllte die Autonome Jugendantifa mit einem solidarischen Redebeitrag. Schon zuvor wurde der Hungerstreik in Nürnberg zum Thema gemacht. Am 04.04., dem Tag des Erscheinens der Regierungsvertreter/innen in Würzburg, lief, ebenfalls angeführt von einem Solitransparent der ROJA, eine 30 Menschen starke unangemeldete Demonstration vom K4 zum Nürnberger Rathaus. Durch zwei Reden und die lauten Parolen konnte mensch ungestört durch Bullen auf den Hungerstreik und die Forderungen der zehn Flüchtlinge aufmerksam machen.
Ihre Forderung nach der Anerkennung als politische Flüchtlinge wurde jedoch noch immer nicht komplett erfüllt. Doch ist genau dies existentiell für die 10 Flüchtlinge. Für sie ist es die einzige Möglichkeit in Deutschland Asyl zu bekommen. Nach den Richtlinien der Genfer Flüchtlingskonvention besteht nur für „politische Flüchtlinge“ die aus einem „Konfliktgebiet“ kommen ein Recht auf Asyl. Doch was ein „Konfliktgebiet“ ist, bleibt im Ermessen der EU-Staaten, je nach dem Stand eines Konflikts und der wirtschaftlichen Beziehungen zu diesem Gebiet. So ist der deutsche Staat trotz laufender Sanktionen zweitgrößter Exporteur in den Iran. Das Thyssen-Krupp Tochterunternehmen Uhde hatte dort mit der Regierung ein größeres Geschäft im Anlagenanbau begonnen, wie die NGO „stop the bomb“ bereits aufdeckte.
Nachdem erst vier der Flüchtlinge als politisch Verfolgte anerkannt wurden, sind sie am Montag den 30. April erneut in den Hungerstreik getreten. Sie wollen ihren Kampf solange fortführen, bis dem Letzten unter ihnen Asyl gewährt wird. Die Iranischen Flüchtlinge bevorzugen nach eigenen Worten, den Weg in den Tod in aller Öffentlichkeit zu gehen, wenn der deutsche Staat derlei menschenverachtende Lebenssituationen schafft. Und er würde mit ihrer Abschiebung ihren sicheren Tod in Kauf nehmen.
Der Kampf der Iraner hat eine breite Öffentlichkeit errungen. Ihr Schicksal ist das Schicksal aller Flüchtlinge in Europa. Erste Erfolge in ihrer eigenen Sache konnten sie bereits erringen. Dieser Protest ist noch nicht vorüber und er wird auch nicht der Letzte bleiben.

Erschienen in barricada – Mai 2012