Supermärkte, Bäckereien, Pflegeheime, Krankenhäuser: es sind vor allem wir lohnabhängigen Frauen, die in der Corona-Epidemie in erster Reihe stehen. Es sind vor allem die Berufssparten, die mies bezahlt und auch im allgemeinen äußerst prekär sind. Und der Applaus von den Balkonen und Fenstern der Republik bringt keine Steigerungen auf dem Lohnzettel, bessere Personalschlüssel oder eine Abkehr der unsäglichen „Fallpauschale“ in den durchprivatisierten Krankenhäusern. Im Gegenteil:
12 Stunden Schichten sind möglich weil der ausgerufene Katastrophenfall das Arbeitsschutzgesetz aushebelt und die Personalschlüssel wurden in den Krankenhäusern und der Pflege sogar gänzlich ausgesetzt. Wieder einmal setzen die DGB-Gewerkschaftsspitzen darauf, gemeinsam mit der Regierung und den Unternehmen partnerschaftlich zusammen zu arbeiten und massive Einschnitte hin zu nehmen, die letzten Endes die Lasten der Krise auf uns alle umwälzen, um die Wirtschaft und das dazugehörige Wirtschaftssystem zu retten. Eben genau das Wirtschaftssystem, das uns erst in die heutige Situation gebracht hat.
Und das in einer Zeit, in der selbst Betriebsversammlungen ausgesetzt sind und sich Betriebsräte schwer treffen können um zumindest die wenigen Rechte, die wir haben, einzufordern und zu verteidigen. Da fällt es schwer die Stimme zu erheben, zumal uns noch von jeder Seite eingetrichtert wird, dass alle Maßnahmen jetzt alternativlos seien, um Menschenleben zu retten. Natürlich könnten auch wir uns die Situation zu Nutze machen, und bessere Bedingungen für uns durchboxen, jetzt wo alle sehen, dass es unsere Arbeit ist, die diese Gesellschaft am Leben erhält. In Frankreich hat selbst die reformistische Gewerkschaft CGT die Macht der Lohnabhängigen erkannt: für den Monat April ruft sie genau die zum Streik, die jetzt alles am Laufen halten und die seit Monaten als Gelbwesten auf die Straße gehen. Dass die Regierung über Monate genug Tränengas und Pfefferspray hatte, um den radikalen Widerstand zu brechen, thematisieren die kämpfenden GewerkschafterInnen dabei genauso, wie die Angriffe auf genau ihre Lebensrealität und die Folgen für die Situation jetzt. In der BRD wissen die Herrschenden die Situation zu nutzen und weitreichende Umstrukturierungen im Schnelldurchgang durchzusetzen, die in „Normalzeiten“ lange gedauert hätten und zu massivem Widerstand hätten führen können: Ausweitung der Kurzarbeitsregelung, Entlassungen, grenzenlose Subventionen für das Kapital. Die Zeche werden am Schluss wir als Lohnabhängige zahlen.
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren, so funktioniert Kapitalismus. Für uns gibt es nur eine Lösung: organisieren, solidarisch sein und als lohnabhängige Klasse das einfordern, was uns zusteht. Krankenhäuser und Pflege vergesellschaften! Genauso wie die Herstellung und die Verteilung der Lebensmittel eine kollektive Aufgabe sein muss, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und nicht nach dem Profit, der damit zu machen ist.
Doch es muss um mehr gehen als um die Arbeit, die von so vielen Frauen im bezahlten Bereich verrichtet wird. Die Notgruppen, in denen Kinder betreut werden, gelten nur für „systemrelevante“ Jobs wie Alten- oder KrankenpflegerInnen oder ÄrztInnen und nur wenn ein Elternteil einer dieser Berufsgruppen angehört. Was macht die Kassiererin, was die Bäckereiverkäuferin? Die Oma fragen, die aber vielleicht einer Risikogruppe angehört? Der überwiegende Teil von Haushalt und Erziehung liegt bei der Frau, daran ändert sich auch in Zeiten von Home Office und Quarantäne in der patriarchalen Gesellschaft nichts. Für viele Alleinerziehende dürfte die jetzige Situation eine Katastrophe sein.
Für Frauen, die keine (weiteren) Kinder bekommen möchten und bei denen bei der Verhütung doch mal was schief gegangen ist, bleibt nur die Abtreibung. Und das wurde in Zeiten der reaktionären Offensive eh schon erschwert. Reaktionäre FundamentalistInnen – egal ob AfD oder Freikirche machen mobil gegen Beratungsstellen und ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Um fast 40% hat sich aufgrund dieses Drucks die Anzahl dieser ÄrztInnen reduziert. In manchen Städten haben Frauen jetzt schon schlechte Chancen, einen Termin innerhalb der drei Monate zu bekommen auch wenn sie den Beratungsschein erhalten haben. Im Zuge der Epidemie, die das Ausweichen in andere Länder verunmöglicht, in der Arztpraxen schließen müssen weil sie nicht über genügend Schutzausrüstung verfügen, hat sich diese Situation noch mehr verschärft und von den bürgerlichen Parteien, die sich nach wie vor nicht einmal vom umstrittenen „Werbeverbot“ (§218) verabschieden wollen, ist nichts zu erwarten.
Für viele Frauen bedeutet der Alltag im eigenen Haushalt schon in „Normalzeiten“ Gewalt. In Zeiten von sozialer Isolation, Ausgangsbeschränkungen und Quarantäne gipfelt diese alltägliche Normalität in brutaler Schutz- und Hilflosigkeit. Nur noch zynisch erscheint vor diesem Hintergrund die Aussage von Familienministerin Giffay, Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind, könnten natürlich dafür Beratungsstellen aufsuchen – auch bei Ausgangs“beschränkungen“. Was nutzt das Aufsuchen einer Stelle, die Betroffene nicht weiter vermitteln kann weil die Frauenhäuser ausgelastet sind und die Plätze seit Jahren weder nennenswert aufgestockt noch pauschal finanziert werden? Was nutzt die Möglichkeit, telefonisch Beratungsstellen kontaktieren zu können, wenn die Bedrohung in derselben Wohnung isoliert ist wie die Bedrohte? Kinder sind sowieso gerade Gewalt und sexuellen Übergriffen noch schutzloser ausgeliefert. Ruhephasen und auch Chancen, AnsprechpartnerInnen zu finden und das Schweigen zu brechen, sind ohne Kindergarten, Hort und Schule extrem reduziert. Kinder sind der potentiellen Gewalt 24 Stunden am Tag ausgesetzt. Wenn patriarchale Machtstrukturen, räumliche Enge und existenzielle Sorgen zusammenkommen, ist das ein gefährliches Pulverfass für viele Frauen und auch Kinder.
Das alles sind keine Probleme, die von der Covid19-Pandemie verursacht worden sind, nein, sie verdeutlicht nur, was schon so lange falsch läuft: ein Wirtschaftssystem ausgerichtet an Profitinteressen anstatt an den Bedürfnissen der Menschen und mit ihm verwoben eine patriarchale Struktur, die Frauen ihren klaren Platz in der Gesellschaft zuweist: Vieles konnten wir in all den Kämpfen in all den Jahren aufbrechen aber nach wir vor gilt es, Kapitalismus und Patriarchat als Ganzes zu zerschlagen. Weder das eine noch das andere brauchen wir. Beides ist für uns als lohnabhängige Frauen eine existenzielle wie auch physische Gefahr. Wir können uns auf keinen Staat, auf keine ChefInnen, auf keine RichterInnen oder sonst wen verlassen.
Wir verlassen uns auf unsere gegenseitige Solidarität und bauen Netzwerke auf. Wir organisieren uns an unseren Arbeitsplätzen – gerade in den prekären Bereichen und wir erzeugen Druck – nicht trotz dieser Pandemie sondern genau wegen ihr – weil sie zeigt, dass die Ausrichtung des Gesundheitssytems am Profit und das damit einhergehende kaputt-Gespare schlichtweg tödlich ist. In den Stadtteilen lernen wir uns kennen, fragen nach, schauen genau hin und greifen solidarisch ein wenn wir Situationen mitbekommen, die Frauen in Gefahr bringen. Und gemeinsam gehen wir gegen die reaktionäre Offensive vor, in deren Zuge uns der bürgerliche Staat unserer Rechte als ArbeiterInnen im Rekordtempo beraubt. Vernetzen uns mit allen, die dagegen ankämpfen, stellen uns entschlossen und solidarisch gegen Nazis, FaschistInnen und den autoritären Staat. Wir erkämpfen eine andere Welt! Eine Gesellschaft, in der die Erziehung, die Pflege und das Gesundheitswesen genauso vergesellschaftet ist wie die Produktion unserer Nahrungsmittel und aller anderen benötigten Güter. Eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ohne Kapitalismus und Patriarchat!
Offensiv in der Krise – Offensiv aus der Krise!
Offensiv gegen Kapitalismus und Patriarchat!
#Aufbruch
#soziale Revolution machen