Im Folgenden dokumentieren wir einen Bericht von Indymedia
Fast drei Wochen ist es her, dass wir uns mit einem Text über die aktuelle Situation am Jamnitzerplatz zu Wort meldeten. Jetzt wollen wir das nächste Kapitel im Kampf um den Platz im Herzen von Gostenhof erzählen …
Fast drei Wochen ist es her, dass wir uns mit einem Text über die aktuelle Situation am Jamnitzerplatz zu Wort meldeten. Jetzt wollen wir das nächste Kapitel im Kampf um den Platz im Herzen von Gostenhof erzählen …
Wir, das sind einige Menschen, die den Jamnitzer seit Jahren nutzen, wollen erneut einen Überblick über die Ereignisse der letzten Tage und Wochen geben und eine Diskussion über das Zusammenleben am Jamnitzer anregen, das zunehmend unter der „Aufwertung“ und Umstrukturierung des Viertels leidet.
Akt 4 – Samstag, der 06. Juli 2019
Der Tag nach dem Feuer. Bereits am frühen Nachmittag veröffentlicht die Lokalpresse einen Bericht samt Video über das Cornern am Abend zuvor. Die Bullen stehen erneut für ihre Untätigkeit in der Kritik und geben daraufhin hastig bekannt, dass das Feuer ungefährlich gewesen sei und sie die Lage unter Kontrolle gehabt hätten. Dass Letzteres nicht der Wahrheit entspricht, muss nicht erwähnt werden.
Mitte der Woche äußert sich Ulrich Maly, der Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, höchstselbst zur Causa Jamnitzerplatz. Er wird mit den kalenderspruchartigen Worten „Der Jamnitzerplatz ist für alle da“ zitiert. Das Stadtoberhaupt spricht von „gegenseitigem Respekt“ – der Bullenterror der letzten Wochen findet keine Erwähnung.
Der Kommunalwahlkampf für 2020 ist in vollem Gange. Da lässt sich auch die rassistische AFD nicht lumpen und schickt ihren Nürnberger Bundestagsabgeordneten, Nazischwein Martin Sichert, persönlich ins rote Gostenhof. Nach einem nervösen Fotoshooting im Eiltempo machen sich die Rassisten zügig aus dem Staub. Hätten Sichert & Co noch einige Minuten Geduld bewiesen, wäre ihnen vielleicht noch die berühmte Gostenhofer Gastfreundschaft zu Teil geworden.
Akt 5 – Mittwoch, der 10. Juli 2019
Ein Großaufgebot der Polizei trifft sich zum Stelldichein am Jamnitzer. An den Zufahrtsstraßen zum Platz stehen zahlreiche Bullenwannen. Die USK-Einsatzleitung und der verhasste Nürnberger Staatsschutz schlendern am helllichten Tag umher und machen sich mit den örtlichen Begebenheiten vertraut. Die Familien auf dem Spielplatz sind von der massiven Bullenpräsenz irritiert. Eine genervte Mutter kommentiert die Ortsbegehung der Bullen treffend: „Gerneralprobe fürs nächste Wochenende.“
Akt 6 – Samstag, der 13. Juli 2019
Endlich wieder Wochenende. Nur leider mit scheiß Wetter. Eine linke Jugendgruppe hat schon vor längerem zum sogenannten „Cornern & Sprayen“ aufgerufen. Wer im Viertel zuhause ist, kennt das spaßige, aber unspektakuläre Ritual: zusammen rumhängen, eine gute Zeit haben, und Folien, die zwischen die Bäume des Jamnitzers gespannt sind, mit Spraydosen verschönern. Da sich jedoch Regen und Gewitter schon Tage vorher angekündigt hatten, wurde die traditionell unangemeldete Veranstaltung abgesagt.
Aber weder die ach so bürgernahe Polizei, noch die Lokalpresse haben davon etwas mitbekommen. Die Bullen fahren also in ihren Wannen pausenlos um den Jamnitzer und belagern den Stadtteilladen am Südende des Platzes regelrecht. Man riecht die Nervosität der Bullen förmlich. Wer weiß, auf was für Szenarien USK & Co für diesen Samstag vorbereitet waren. Die bereits unter der Woche erprobte Stürmung des Jamnitzers muss vertagt werden.
Einen Aufreger hat der Tag noch parat: Der AFD-Sympathisant und Polizeireporter Tilman Grewe liefert den literarischen Höhepunkt der letzten Wochen. In einem verleumderischen Onlineartikel über das „Cornern & Sprayen“ fantasiert Grewe von gewaltbereiten Autonomen und angeblich stattfindenden Spontandemostrationen. Für den heutigen Nachmittag prophezeit er Angriffe auf die Häuser rund um den Jamnitzer. Grewe rundet sein journalistisches Lügenkonstrukt mit Hetzzitaten von AFD-Mann Martin Sichert ab. Die Info, dass das gemeingefährliche „Cornern & Sprayen“ an diesem verregneten Samstag gar nicht stattgefunden hat, bleibt die Nürnberger Zeitung ihren Leser*innen schuldig. Inzwischen ist der hetzerische Artikel von der Internetseite verschwunden.
Akt 7 – Samstag, der 20. Juli 2019
Der Sommer ist zurück. Das Thermometer klettert unaufhaltsam in Richtung 30°C. Einige Jugendliche laden zu einer spontanen Wasserschlacht am Platz. Hunderte Wasserbomben, ein gewaltiges Arsenal an Spritzpistolen und ein ansehnliches Planschbecken verwandeln den Jamnitzer in einen Wasserspielplatz. Jung und Alt nehmen die Einladung für eine spontane Abkühlung begeistert an – es herrscht Volksfeststimmung am Jamnitzer.
Auf einem Transparent wird zum Wasserbomben-Wurfwettbewerb auf die Bullen aufgefordert: 5 Punkte für eine Wanne, 10 Punkte für einen Bullen und stolze 100 Punkte für einen Kopftreffer. Wie ernst diese Spielidee gemeint ist, bleibt offen – es ist kein Bulle weit und breit zu sehen. So schön kann ein heißer Sommertag mit Freund*innen und Nachbar*innen am Jamnitzer sein.
Einige Zeit später, die Kinder toben immer noch unermüdlich mit den Wasserpistolen über den Platz, ist das allabendliche Cornern in vollem Gange. In kleineren und größeren Gruppen sitzen die Menschen herum und unterhalten sich angeregt, lauschen Musik oder entspannen bei einem kühlen Feierabendbier. Auf einmal tauchen zwei Streifenbullen auf. Im Vergleich zum stets mackernden USK wirkt das Bullenpärchen irgendwie verloren am sagenumwobenen Brennpunkt Jamnitzer. Die beiden Bullen fangen dennoch pflichtbewusst an, die Leute wegen Lappalien zu belästigen: Das Transparent soll weg, Biertrinken sei verboten. Wirkliche Beachtung schenkt den zwei Bullen jedoch keine*r. Ein klarer Fall: Verstärkung muss her! Dumm nur, dass das USK gerade noch bei einem internationalen Freundschaftsspiel im Einsatz ist. Gute 30 Minuten harrt das Bullenpärchen hinter einer Hecke am Rande des Platzes aus, bis die Kavallerie endlich anrückt.
Ein dutzend USK-Wannen kommen rund um den Jamnitzer zum Stehen. Türen werden laut zugeschlagen. Viele der Familien, deren Kinder auch am frühen Abend immer noch nicht genug vom Wasserspaß haben, packen hastig ihre Sachen zusammen und flüchten sich nach Hause. Die gerade in letzter Zeit stark gebeutelten Sympathien der Gostenhofer Bevölkerung für die Bullen dürften nun endgültig Geschichte sein. In mehreren Trupps von 5 bis 10 Mann betritt das USK den Platz zeitgleich aus allen Richtungen. Die Bullengruppen positionieren sich in Sichtweite rund um die lose Menschenmenge. Bewaffnet mit Spiegelreflexkamera und Camcorder marschiert ein Trupp durch die Menge. Die anwesenden Menschen drehen den Spieß um und beginnen, die Bullen mit ihren Handys abzufilmen. Nach anfänglichen Ermahnungen sehen die Bullen ein, dass sie das unmöglich unterbinden können. Aber was wollen die Bullen eigentlich? Das wird während des gesamten Einsatzes nie so ganz klar. Nach wenigen Minuten wird es den Menschen am Platz zu bunt. Lautstark und selbstbewusst artikulieren sie ihr Unverständnis und ihre Wut über diesen völlig bizarren Aufmarsch einer halben Hundertschaft USKler. Selbst den sonst ruhigeren Gemütern reicht es schnell. Immer wieder kommt es zu Schubsereien und leichten Rangeleien. Die Einsatzleitung ist genervt. Bei der Ortsbegehung eine Woche zuvor hatten die Bullen sich das bestimmt anders vorgestellt. In einer Seitenstraße geht plötzlich eine Silvesterbatterie los. Die Menge freut sich über die lautstarke Solidaritätsbekundung.
Die Dämmerung setzt langsam ein. Irgendwann geben die Bullen entnervt auf und ziehen sich vom Platz zurück. Die lächerliche Bilanz: Eine Personalienfestellung wegen einer angeblichen Beleidigung. Das war sie also, die inzwischen dritte Intervention der Bullen am Jamnitzer, die für sie alles andere als zufriedenstellend gelaufen ist.
Schnell kehrt wieder Normalität ein. Das gemütliche Cornern nimmt seinen Lauf. Zur Freude der Anwesenden wird wiederholt Feuerwerk um und auf dem Platz gezündet. Da treten die Bullen wieder auf den Plan: Mit Taschenlampen rennen sie wie aufgescheuchte Hühner im Dunkeln auf der Suche nach Übeltäter*innen herum. Ihr planloses Agieren am anderen Ende des Platzes wird von der Menge mit Gespött und einem lautstarken „BULLEN RAUS AUS GOSTENHOF!“ kommentiert. Angeblich gab es in Gostenhof noch ein Feuer, um die Bullen zu stressen – am Jamnitzer war davon nichts zu sehen.
Akt 8 – Donnerstag, der 25. Juli 2019
Der missglückte Großeinsatz des USK bildet den (vorläufigen) Endpunkt des massiven Belagerungszustands rund um den Jamnitzer. Die Bullen sind nun so unregelmäßig am Platz wie vor dem Ausgangspunkt der aktuellen Situation, Freitag, der 28. Juni 2019 (siehe Akt 1 ). Ungewöhnlich ist auch, dass die Bullen eisern zum Einsatz am Samstag schweigen. Dementsprechend ist es auch in der Lokalpresse still geworden – ohne vorgefertigte Wahrheit in Form einer Bullenpressemeldung geht da nämlich nichts. Es wäre töricht, zu denken, die Bullen hätten aufgegeben, aber wir freuen uns dennoch über jeden Bullen, der einen Bogen um den Jamnitzer macht. Jetzt heißt es dranbleiben!
Wer hätte vor fast einem Monat gedacht, dass die Bullen hier am Jamnitzer wiederholt nichts zu melden haben. Wir sind genervt von der wochenlangen Belagerung der Bullen, aber wir sind nicht ohnmächtig! Hände weg vom Jamnitzer – das ist unser Platz!
OB GEZI, DORFPLATZ ODER IN EXARCHIA – DIE PLÄTZE DENEN, DIE SIE NUTZEN!