Freitag, der 28. Juni etwa 22:30 Uhr am Jamnitzer Platz (siehe Nürnberg Nachrichten 1, 2): zahlreiche Menschen nutzen nach einem weiteren heißen Tag einen der wenigen sozialen Räume des Viertels Gostenhof. Sie unterhalten sich, lachen, es läuft Musik. Es sind junge und ältere Menschen, auch ein paar Kinder springen noch herum. Plötzlich läuft die Polizei auf – zum Teil in Zivil und fordert barsch und willkürlich die Ausweise von einigen Menschen. Begründung: Ruhestörung. Die Menschen weigern sich, sehen keinen Grund, sich der repressiven Maßnahme zu fügen. Selbst im Biergarten dürfte man jetzt noch außen sitzen – aber da konsumiert man ja auch für viel Geld, was die Menschen hier nicht wollen – oder können. Immer mehr Menschen am Platz werden aufmerksam und verhalten sich solidarisch. Viele von ihnen kennen die Situation: sobald sozialer Raum für das genutzt wird, wofür er da sein sollte, werden sie schikaniert – die Menschen, die in der benachbarten Sozialpension wohnen müssen weil der kapitalistische Wohnungsmarkt sie aus ihrem Zuhause verdrängt hat, noch einmal mehr als andere. Auch sie sind AnwohnerInnen, ob es nun einer Hand voll WutbürgerInnen passt oder nicht. Dann solidarisiert sich auch noch eine größere Gruppe von Menschen und macht den Cops klar, dass es heute nicht so laufen wird, wie an manch anderen Abenden. Diesmal werden Menschen nicht einfach schikaniert, vielleicht sogar grundlos auf die Wache mitgenommen. Die zahlenmäßige Überlegenheit und das bestimmte Auftreten aller Anwesenden bewegen die Cops letztlich zum Rückzug. Dass die Polizeieinheiten sich am Freitag, nach mehrmaliger Aufforderung, einsichtig zeigten und den Jamnitzer Platz, endgültig und ohne weitere Übergriffe, verließen, begrüßen wir.
Die Polizei: Freund und Helfer der Kapitalinteressen
Im Ablauf decken sich die Berichte der Lokaljournaille Nürnberger Nachrichten mit den Erfahrungen vor Ort, jedoch die Bewertung lässt viele sprachlos zurück. Ein paar EigentümerInnen und Zugezogene, die von Immobilienanzeigen wie „ruhiges Wohnen am Erholungspark Jamnitzer Platz“ gelockt wurden, fühlen sich hilflos weil ein Platz für das genutzt wird, wofür er da ist? Hilflos und ohnmächtig fühlen sich auch etliche BewohnerInnen des Stadtteils, aus dem sie zunehmend verdrängt werden. Mieterhöhungen, nach dem neuen Mietenspiegel, der einzig ein Instrument zur beständigen Erhöhung der Mieten ist, sowie Kündigungen wegen angeblichen Eigenbedarfs, sind an der Tagesordnung. Die neuen hoch sanierten Wohnungen, Luxusneubauten und Stadthäuschen können sich die Wenigsten leisten: sie werden verdrängt. Diese Menschen können nicht einfach die Polizei rufen – im Gegenteil, die kommt im Auftrag der GentrifizierungsprofiteurInnen um sie zu räumen. Oder sie kommt weil Menschen angeblich zu laut sind. Oder sie kommt in unseren Stadtteil weil jemand psychotisch ist, quält ihn mit einem Taser und betäubt ihn zusätzlich – durch diese „Maßnahmen“ wurde vor kurzem ein psychisch kranker Gostenhofer von Polizisten getötet. Oder Polizeitrupps kommen mit einem Großaufgebot inklusive Sondereinheit SEK nach Gostenhof, riegeln ganze Häuserblöcke ab um einen unserer Nachbarn in das Kriegsland Afghanistan abzuschieben. Oder sie prügeln wie im Nürnberger Süden wegen einer angeblichen Beleidigung minutenlang mit Schlagstöcken auf einen am Boden liegenden Menschen ein…
Auf solche gewalttätigen Polizeiübergriffe kann die Mehrheit der GostenhoferInnen und sicherlich auch die Mehrheit in anderen Stadtteilen verzichten.
Eure „soziale Kontrolle“ ist unsere Verdrängung
Ein paar EigentümerInnen oder, Menschen, die sich die neuen Lofts ohne weiteres leisten können, schreien und bekommen von der sozialdemokratisch regierten Stadt einen runden Tisch – gemeinsam mit Ordnungsamt, Polizei, SÖR und Co. um ihre Interessen in kolonialistischer Manier durchsetzen. Ihr Interesse nach einer ruhigen Immobilie in bester Lage, das Rendite abwirft und ihr persönliches Interesse nach Friedhofsruhe. Und diese Menschen meinen, die Polizei hätte die soziale Kontrolle aufgegeben!? Ja, die soziale Kontrolle wurde in Gostenhof tatsächlich aufgegeben – allerdings von der Stadt Nürnberg und zwar indem sie die Entwicklung unseres Viertels, ja sogar die Entwicklung der gesamten Stadtplanung einzig und allein dem Kapital überlässt! Das führt zu Verdrängung und Ausverkauf unseres Viertels. Und die Polizei, ja die macht sich mit ihren schikanösen und gewalttätigen Einsätzen, gegen die weniger zahlungskräftigen BewohnerInnen unseres Stadtteils, zum Handlanger von Gentrifizierung und Profit. Das lassen wir uns alle längst nicht mehr bieten!
Gostenhof: rebellisch, solidarisch und widerständig
In Gostenhof gibt es viele Menschen, denen Gentrifizierung, Polizeigewalt ja die ganze reaktionäre Entwicklung in diesem Land gegen den Strich geht und das sind längst nicht alles Autonome, wie es Stadt, Polizei und Teile der Medien gerne glauben machen wollen. Nein, wir alle gemeinsam haben in unserem Stadtteil über eine lange Zeit hinweg eine rebellische, widerständige aber auch solidarische Kultur geschaffen, die der Großteil hier zu schätzen weiß. Wir stehen uns bei wenn welche aus der Wohnung geworfen werden sollen, unsere NachbarInnen abgeschoben werden sollen oder eben auch wenn Menschen willkürlich von der Polizei angegangen werden. Wir lösen unsere alltäglichen Probleme lieber untereinander und unterstützen uns gegenseitig. Gegen den kapitalistischen Alltagswahnsinn, gegen Konkurrenz, Verdrängung und Vertreibung setzen wir unsere Solidarität und unseren Widerstand!
Gegen Gentrifizierung und Polizeigewalt – Hände weg von unseren NachbarInnen – Für ein solidarisches Gostenhof der ArbeiterInnen