Nein zu Lagersystem und rassistischer Asylpraxis! Fluchtursachen bekämpfen – Geflüchtete aufnehmen!

Bayern hat den neuen Asylplan des Rechtsdemagogen und bayrischen Innenminister Markus Söder durchgewunken. Damit warten auf Geflüchtete weitere Lager, in denen sie interniert und isoliert werden sollen, Sachleistungen und eigene bayrische Abschiebeflüge. Söder will damit ein Vorbild für die Asylpraxis in der gesamten BRD liefern – und die im Koalitionsvertrag ohnehin von SPD und CDU unterschriebenen Maßnahmen schnellstmöglich umsetzen – in enger Zusammenarbeit mit seinem nicht minder reaktionären Vorgänger und heutigen deutschen Innenminister Horst Seehofer. Die bayrische SPD gibt in Vorwahlkampfzeiten vor, gegen solche Zentren zu sein – und zeigt damit ein weiteres mal ihr gesamtes heuchlerisches Potential, schließlich hat sie selbst bereits in den Sondierungsgesprächen mit der Union bereitwillig einer bundesweiten Einrichtung von solchen Zentren zugestimmt. Und auch die übrigen Parteien versuchen sich von den Erzreaktionären abzugrenzen und von ihrer eigenen rassistischen Asylpraxis abzulenken – die sie alle dort wo sie an der Regierung sind auch umsetzen.

Machen wir Schluss damit! Nächster Termin:

— 08.06.2018 – Regensburg – Zeißstraße 1 (vor dem Lager) —

„It´s time – für ein besseres Morgen – Nein zu Lagern und Rassismus“

— Zugtreffpunkt Nürnberg – HBF Osthalle – 14:15 Uhr —

 

Hintergrund zum Lagersystem deutsch

Backgroundflyer against the campsystem in english

Auch den Umgang mit selbstorganisiertem Protest in und um die heute schon bestehenden Lager legt der Plan fest: Menschen, die in Aufnahmeeinrichtungen angeblich Gewalt gegen Polizei oder Sicherheitskräfte anwenden oder vermeintlich randalieren, hätten ihr Gastrecht verwirkt, heisst es. Wie schnell aus dem legitimen und notwendigen Widerstand und Protest gegen die rassistische und allzu häufig illegale Abschiebepraxis der deutschen Behörden angebliche Randale wird haben die Proteste gegen Abschiebungen aus den Lagern in Ellwangen, Deggendorf und Donauwörth ebenso gezeigt wie das brutale Vorgehen der Polizei am 31.Mai letzten Jahres in Nürnberg. Die 300 ausschließlich passiv blockierenden Menschen bekamen die Staatsmacht in Form von Pfefferspray, Tritten und Schlägen zu spüren. Anschließend setzte das bayrische Innenministerium alles daran, den Protest zu kriminalisieren und gesellschaftlich zu diffamieren (http://www.nordbayern.de/politik/der-fall-asef-n-es-geht-um-macht-und-deutungshoheit-1.7618859).

Die rassistsche Propaganda dient vor allem einem: der Ablenkung von den eigentlichen Kernproblemen des kapitalistischen Wirtschaftssystems, von denen Geflüchtete ebenso betroffen sind wie Menschen, die schon länger hier leben. Die einen fliehen vor imperialistischem Krieg, totaler Ausbeutung und damit verbundener Not, die anderen arbeiten in drei Teilzeitjobs, fliegen aus ihrer Wohnung und steuern auf die Altersarmut zu. Die Betroffenheit mag ein anderes Ausmaß haben – die Ursache liegt aber jeweils in der Klassenlage der Betroffenen, die sie von der Teilhabe vom gesellschaftlichen Reichtum ausschließt und zur Flucht zwingt. Die gemeinsamen Interessen, der allerorten stattfindenden Ausbeutung und Unterdrückung ein Ende zu bereiten wird nicht erkannt, wenn die Schuld an sozialen Problemen auf Geflüchtete abgewälzt werden kann oder die vermeintlichen Probleme, die diese mit sich bringen die eigentlichen Widersprüche übertünchen. Die Isolation und Internierung Geflüchteter beraubt sie ihrer Stimme und macht sie Unsichtbar – wodurch rassistische Propaganda nur umso leichter gestreut und im Bewusstsein der Menschen verankert werden kann. Kriminalisierung und Stigmatisierung gehören ebenso zu diesem Lagersystem, wie die psychische Folter, die der vollständige Entzug der Privatsphäre, die permanenete Entmündigung und Gängelung, die Verdammung zum Nichtstun durch Arbeitsverbote etc. faktisch darstellen.

Die rassistische Stigmatisierung von Geflüchteten und der reaktionäre Vormarsch gehen in der ganzen BRD Hand in Hand. Neben der altbewährten rassistischen Spaltung, die im Kapitalismus seit jeher von den herrschenden angewandt wurde, um Ausgebeutete und AusbeuterInnen unter einem Volksbegriff zu vereinen und vom tatsächlichen gesellschaftlichem Widerspruch zwischen den Lohnabhängigen und Kapital abzulenken, dient der Aufbau eines Lagersystems für Geflüchtete dem Staat als Blaupause und Experimentierfeld. Bereits das Polizeiaufgabengesetz konnte im letzten Jahr weitestgehend unbemerkt und ohne breiten gesellschaftlichen Protest vor allem gegen die Rechte Geflüchteter verschärft werden – und diente als Vorlage für die im Mai beschlossene weitere Verschärfung, die jetzt alle betrifft. 2017 wurden Asylunterkünfte generell zu gefährlichen Orten erklärt – 2018 werden alle zur potentiellen drohenden Gefahr erklärt. 2017 ermöglichte das Gesetz die anlasslose Durchsuchung von Unterkünften und die Möglichkeit Geflüchtete ohne Angabe von Gründen festzusetzen – 2018 bietet es der Polizei die Möglichkeit der quasi anlasslosen Onlinedurchsuchung und des Aufenthaltsverbotes an bestimmten Orten für angebliche Gefährder – und vieles mehr. Mit der Schaffung eines gesetzlich verankerten und ausschliessenden Leitkulturbegriffes (a.k.a. Volksbegriffes) durch das Integrationsgesetz, der permanenten Fixierung und Propagierung auf einen auf diese Leitkultur fußenden Heimatbegriffes (a.k.a. nationalistischer Propaganda), der Stigmatisierung und Internierungsmöglichkeit vermeintlich oder tatsächlich psychisch kranker Menschen und den bereits genannten Verschärfungen treibt der deutsche Staat den reaktionären Vormarsch und die Faschisierung der Gesellschaft voran. Selbst die Öffentlichkeitsfahndungen, die nach den Kämpfen während des G20 Gipfels und nach dem 31. Mai in Nürnberg von Polizei und Medien anberaumt wurden passen in diese Strategie: Diffamierung und Verrat gehören zu einem autoritären Staats- und Gesellschaftsmodell dazu.

Der deutsche Staat schafft alle Instrumente, die es zum Aufbau eines faschistoiden oder faschistischen Systems braucht. Noch werden diese Instrumente nicht gänzlich angewendet, aber die Akzeptanz für einen autoritär agierenden Staat wird schleichend erhöht und die Totalität des kapitalistischen Systems und seiner Garanten mehr und mehr zur breit akzeptierten Normalität.

Letzten Endes zieht in vielen bürgerlichen Kreisen immer noch das naive Argument, niemand habe etwas zu befürchten, der nichts zu verbergen habe. Auch die Geflüchteten, die heute in den Lagern interniert werden haben nichts zu verbergen – im Gegenteil, überall wo es diese Lager heute bereits gibt regen sich Protest und Widerstand und beides soll ganz und gar nicht im verborgenen stattfinden. Und auch die Blockierenden von Witzenhausen und Nürnberg hatten nichts zu verbergen sondern zeigten ihren Widerspruch offen. Viele der protestierenden Geflüchteten sitzen heute in Abschiebeknästen oder wurden bereits abgeschoben. Von den AktivistInnen des 31 Mai saß einer ein halbes Jahr in U-Haft, 19 weitere Justizverfahren laufen oder stehen aus, wie viele Ermittlungsverfahren laufen ist unklar. Klar ist hingegen, dass der Staatsschutz alles daran setzt Zeugen zu beeinflussen, die tatsächlichen Ereignisse zu vertuschen und die Deutungshoheit des bayrischen Innenministeriums auch vor der Justiz durchzusetzen – die in einem vorherigen Prozess bereits gezeigt hat, dass sie da gerne mitspielt und von einem Angeklagten im Gegenzug für eine milde Strafe eine Entschuldigung einforderte. Eine Entschuldigung für den Einsatz gegen die Abschiebung eines afghanischen jugendlichen, der heute auch in einem Kriegsgebiet sitzen oder bereits tot sein könnte – hätten ihn nicht 300 vermeintlich drohende GefährderInnen, die alle nichts zu verbergen hätten vor dem illegalen Abschiebeversuch durch die deutsche Polizei geschützt.

Sich der Illusion der eigenen Harmlosigkeit hinzugeben ist ein verhängnisvoller Fehler. Es braucht nicht erst eine faschistische Partei wie die erstarkende AFD in Regierungsverantwortung zu kommen, um die heute geschärften Instrumente anzuwenden. In den letzten zwei Jahren hat sich als direkte Folge der medial und staatlich inszenierten und verstärkten Willkommenskultur ein beispielloser Rechtsruck in der BRD ereignet, der rassistische und autoritäre Diskurse in die gesellschaftliche Mitte gespült hat. Beinahe alle etablierten Parteien sind diese Rechtsentwicklung mitgegangen, bis hin zu Teilen der Linkspartei. Die BRD steht damit bei weitem nicht alleine, in Ungarn und Polen sind faschistoide Regierungen an der Macht, in Italien hat sich eine solche gerade gebildet, in den skandinavischen Ländern sind so genannte RechtspopulistInnen bereits seit langem auf dem Vormarsch – und die bürgerlichen Parteien folgen alle dem Diskurs nach Rechts. Bei allen taktischen Unterschieden zwischen offen reaktionären und sich bürgerlich liberal gebenden Parteien liegt das auch in der „Natur“ des parlamentarischen Staates im Kapitalismus.

Ein Geschäft dieses Staates ist die Aufrechterhaltung und Verbesserung der kapitalischen Produktionsbedingungen für das heimische Kapital in Konkurrenz zu anderen Kapitalfraktionen innerhalb der EU oder für das europäische Kapital in Abgrenzung zu anderen imperialistischen Zentren global. Dabei gibt es zahlreiche Aufgaben zu bewältigen – nicht zuletzt die Befriedung der in diesem Konkurrenzkampf notwendigerweise auftauchenden sozialen Kämpfe und die Bewältigung ebenso notwendigerweise auftretender kapitalistischer Krisen. Die Widerspruchsentwicklung wird nicht nur global sondern zunehmend auch in den imperialistischen Zentren so offensichtlich, dass der Staat als Garant der sozialen Ruhe sich nicht mehr auf das Prinzip Zuckerbrot verlassen kann. Seit Wegfall der Systemkonkurrenz zu den sozialistischen Staaten der Sowjetunion wütet der Imperialismus sowohl nach innen als auch nach aussen beinahe ungebremst. Eine unmittelbare Folge daraus ist, dass dieses Wirtschaftssystem auch in seinen Zentren immer mehr Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt, während Konzerne und Kapital unbeschadet aus allen Krisen hervorgehen, sich selbst Gesetze schreiben (siehe Automobilindustrie, Bankenrettung oder Agenda 2010) und am Ende milliardenschwere Profite einfahren. Aber die Ausgebeuteten sind ja nicht blöd, auch wenn die Durchdringung aller Lebensbereiche mit neoliberaler Ideologie alles daran setzt, sie so uninformiert und voll von falschem Bewusstsein zu halten wie irgend möglich. Diese Widerspruchsentwicklung zeichnet sich auch in der erhöhten Streik- und Kampfbereitschaft der vergangenen Jahre wieder oder im massiven Aufbegehren gegen Gipfeltreffen a la G20. Dagegen hilft auf lange Sicht nur die Peitsche – und für den kapitalistischen Staat hatte die schon immer die Form des Faschismus.

Der Kampf gegen die Errichtung eines Lagersystems in der BRD ist für alle, die auch künftig in der Lage sein wollen, ihren grundlegenden Widerspruch zu äussern also nichts anderes als eine unbedingte Notwendigkeit. Insbesondere die revolutionären und antagonistischen Kräfte in der BRD werden in den kommenden Jahren bzw. sind in den letzten Jahren ins Fadenkreuz der deutschen Verfolgungbehörden geraten – während Nazis, FaschistInnen und anderen Reaktionären allerorten der rote Teppich ausgerollt wird. Ob das Lagersystem, dass jetzt errichtet wird tatsächlich irgendwann auch gegen diese Kräfte und andere DelinquentInnen eingesetzt wird und wenn ja wann ist eher zweitrangig. Denn alles was der deutsche Staat heute in rassistischer Alltagspraxis gegen unsere geflüchteten GenossInnen anwendet ist eine potentielle Blaupause für den Umgang mit Widerstand – und wer hätte vor zehn Jahren damit gerechnet, das heute bekennende Holocaustleugner im Bundestag sitzen? Die Lager, das PAG, das Intergationgesetz, das Gesetz zur Hilfe psychisch kranker – all diese Instrumente gibt es heute schon. Der imperialistische Staat hat noch nie Waffen gebaut, um sie nicht entweder zu verkaufen oder zu verwenden. Warum sollte das bei Waffen, die nach innen gerichtet sind anders sein?