Selbstverständnis
Die ROJA gründet(e) sich mit großen Hoffnungen für die Zukunft. Unsere Hoffnungen beruhen einerseits darauf, dass unsere Zeit „historisch“, mit allen ihren Wirtschafts- sowie politischen Systemen, mit ihrer Kultur usw. vergänglich ist. Andererseits stellt die ernüchternde Weltwirtschaftskrise einen Weckruf für alle diejenigen dar, deren Augen sich von der Allmächtigkeitsdemonstration des Kapitalismus geblendet waren oder sind, was unsere Hoffnungen realistischer macht.
Der Neoliberalismus – die seit Anfang der 1980er Jahre vorherrschende „Religion“ der KapitalistInnen – machte das Leben der arbeitenden Bevölkerung schon in „besseren Zeiten“ zur Hölle. Während die KapitalistInnen immer größere Profite erwirtschafteten, verschärften sich die Ausbeutungsverhältnisse so, dass sogar Aufschwünge mit Hartz-4, steigenden Preisen bei gleich bleibendem oder sinkendem Lohn, Zeit- und Leiharbeit, Verschlechterung der Bildung, massenweiser Vernichtung der Ausbildungsplätze und Entstehung der „Generation Praktikum“ einhergingen.
Diesen Entwicklungen folgte die „große Krise“. Und nun heißt es, alle diejenigen, die bisher schlecht gelebt haben, sollen noch schlechter leben. Der Kapitalismus bietet der Jugend keine Perspektive.
Das ist die Geburtsstunde der ROJA, denn wir sagen: Wenn das System uns unserer Gegenwart und Zukunft beraubt, geben wir ihm keine Zukunft, indem wir heute kämpfen. Wir nehmen jetzt die Zügel unseres Schicksals in unsere eigenen Hände – der Tatsache bewusst, dass nicht der Neoliberalismus, das „Casino“ oder eine andere Erscheinungsform des Kapitalismus, sondern der Kapitalismus an sich das Problem ist. Und er muss weg! Denn ein menschenwürdiges Leben für alle ist nur jenseits des Kapitalismus möglich.
Für unsere Zukunft und Interessen müssen wir kämpfen!
Bewusst sind wir auch der Tatsache, dass dieses menschenverachtende System, in dem eine kleine Minderheit sich an dem Elend aller anderer bereichert, nicht ohne den Klassenkampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten – und nicht ihrer StellvertreterInnen – gegen die AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen abgeschafft werden kann.
Kapitalismus ist eine Wirtschaftsweise, deren Hauptziel die Profitmaximierung ist. Während eine kleine Minderheit, nämlich die KapitalistInnen, im Besitz der Produktionsmittel ist, muss der Rest, nämlich die ArbeiterInnenklasse, ihre Arbeitskraft verkaufen, um leben zu können. Im Kapitalismus wird die Produktion – was, wann, wie, wo und wie viel produziert wird – nach den Profitinteressen der KapitalistInnenklasse organisiert und gesellschaftliche Bedürfnisse spielen dabei keine Rolle.
Der Mensch ist des Menschen Wolf???
Der Markt ist der Kern des Kapitalismus, er herrscht über alle Bereiche des Lebens, so dass in diesen die grundsätzliche Konkurrenz aller gegen alle die Normalität darstellt. Das Leben im Kapitalismus ähnelt so einem Dschungel, in dem letztendlich jedeR alleine ist und sich gegen andere durchsetzen muss. Der Dschungel macht den Menschen „des Menschen Wolf“.
Betroffen sind von der Herrschaft des Marktes tatsächlich alle zwischenmenschlichen Beziehungen: von Arbeitsverhältnissen über das Schulleben bis hin zu Freundschaften und Liebesbeziehungen.
Die Verhältnisse ziehen sich durch alle Lebensbereiche der Menschen
Während traditionelle solidarische Strukturen wie Großfamilie, Nachbarschaft usw. sich im Kapitalismus als nicht überlebensfähig erweisen und der Marktförmigkeit des Lebens nicht standhalten, werden diejenigen Herrschaftsstrukturen, die neben dem ökonomischen „Krieg aller gegen alle“ Nebenkriegsschauplätze eröffnen, wie Patriarchat, Homophobie, Rassismus und Gerontokratie zugunsten der Klassenherrschaft gefördert. Diese spalten die Gesellschaft in Männer und Frauen, Hetero- und Homosexuelle, Deutsche und Ausländer, Alte und Junge und verunmöglichen den gemeinsamen Kampf aller „Opfer“ des Kapitalismus gegen Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse, in denen wir leben.
Je mehr sich die Herrschaft des Marktes in nicht unmittelbar ökonomischen Bereichen des Lebens vertieft, desto einsamer werden die Menschen. Auch vor zwischenmenschlichen Beziehungen macht das kapitalistische Wirtschaftsprinzip nicht Halt. So werden Freundschaften und Beziehungen mehr und mehr dem „Kosten-Nutzen-Faktor“ unterworfen, wodurch es immer mehr in den Vordergrund rückt ausschließlich bzw. immer „Spaß“ miteinander haben zu müssen. Statuscliquen und Scheinfreundschaften lösen „echte“ Freundschaften ab. Auch wirkt sich die Flexibilität, die dem Menschen in der Arbeitswelt abverlangt wird, negativ auf die Beständigkeit sozialer Bindungen aus. Eine Verallgemeinerung all dieser Mechanismen ist natürlich nicht möglich. Jedoch sind klare Tendenzen beobachtbar. Denn in dem Ausmaß, in dem das profitorientierte Wirtschaftssystem bereits jetzt schon in unserem Alltag Einzug gehalten hat, ist es nicht verwunderlich, dass auch unser Zusammenleben von diesem geprägt wird.
Unsere Zukunft, unsere Perspektive! Lass uns kämpfen für ein Bildungssystem…
Auch das Bildungssystem wird den „neuen“, verschärften Ausbeutungsverhältnissen angepasst: Der Leistungsdruck sowie die Konkurrenz nimmt sowohl in der Schule als auch in der Universität zu. Angefangen von Hauptschülern, die immer mehr als die „verlorene Jugend“ angesehen werden, da sie von Gymnasiasten vom Ausbildungsmarkt weggedrängt werden und dadurch ihre ohnehin geringe Chance sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten, verlieren. Weiter über G-8, Studiengebühren, die die Universitäten vor den „Arbeiterkindern“ gänzlich verschließen, bis hin zur Einführung des Bachelor-Master-Studiums, welches junge Menschen für den Arbeitsmarkt als qualifizierte Arbeitskraft schneller „reif“ machen soll. Und schließlich die engere Bindung der Universitäten und Fachhochschulen an Konzerne. Diese Umstrukturierungen des Bildungssystems spiegeln den Markt wider.
… und Wirtschaftssystem nach unseren Interessen!
Während viele überhaupt keine Ausbildungsplätze finden, werden Ausbildungsplätze, die einen ’sicheren Einstieg‘ ins Arbeitsleben bedeuten, immer seltener. Unbezahlte Probezeit und Praktika sind weitere Formen moderner Sklaverei, die man sich über sich gehen lassen muss, um sich in der Konkurrenz ums Brot gegen andere durchzusetzen. Aber auch das ist keine Garantie, denn für viele endet das Arbeitsverhältnis mit dem Ende der Ausbildung oder des Praktikums. Dann kommen neue Praktikanten oder Azubis und das ganze Spiel fängt von vorne an. Das Motto der KapitalistInnen ist klar: wer mehr Schikane aushält, wer sich billiger, effizienter und flexibler ausbeuten lässt, hat das „Recht“ dabei zu sein.
Schmeiß dein Leben nicht weg.
Wer die Konkurrenz und den Leistungsdruck nicht aushält, geht tatsächlich „verloren“, übt gegen sich selbst oder andere Gewalt aus, sei es physisch oder psychisch. Diese hat viele Namen: Depression, Bulimie, Hyperaktivität, Borderline.
Immer mehr Menschen machen sich durch unbewussten Drogenkonsum „kaputt“. Die Mainstream-Psychiatrie muss immer wieder neue Krankheiten erfinden, die als das „ individuelle Schicksal einzelner“ verkauft werden, um nicht sagen zu müssen, dass die eigentliche Krankheit „Kapitalismus“ heißt. Die „Öffentlichkeit“ interessiert unsere Geschichte nur, wenn sie spektakulär genug ist, ein goldener Schuss oder Amoklauf sind der Rede wert, jedoch, dass Millionen Menschen vielmehr untot sind als leben, nicht.
Kapitalismus ist tatsächlich ein sehr buntes System: Wer der Armee der Untoten angehören will, hat viele Möglichkeiten: Wer zu einsam ist, kann sich zum Psychiater eilen oder im Internet nach virtuellen „Freunden“ suchen. Wenn eineR Amok läuft, kann man Ego-Shooter-Spiele oder Paintball verbieten. Richtig „langweilig“ kann es einem/einer im Kapitalismus eigentlich nie werden, es gibt die buntesten Sachen zu konsumieren, vorausgesetzt man möchte sich selbst konsumieren.
Das alles ist Kapitalismus und das alles prägt unsere Lebenssituation jeden Tag aufs Neue.
Doch was ist die Konsequenz daraus? Abwarten bis es besser wird? Eine andere Partei wählen, der wir die Macht übertragen über das zu bestimmen, was eigentlich unsere Bedürfnisse und Belange sind?
Wir meinen: Nein! Es kann nicht sein, dass sich wenige Menschen dadurch bereichern, dass die Mehrheit den Reichtum produziert und davon so gut wie gar nichts abbekommt. Die Bereicherung auf Kosten Anderer gilt normalerweise als verwerflich und kann sogar strafrechtlich geahndet werden. Doch in einem Wirtschaftssystem namens Kapitalismus spielt der/die KapitalistIn nach eben dieser Regel und erreicht dafür Profit statt Strafen.
Doch wenn wir diese Grundfesten des Systems umstürzen wollen, dürfen wir leider nicht damit rechnen, dass das Kapital Einsicht oder Menschlichkeit beweist und den gesellschaftlichen Reichtum gleichmäßig verteilt, wenn wir nur nett darum bitten.
Doch viele Menschen sehen diese Zustände als naturgegeben und unveränderbar. Es wird uns von klein auf vermittelt, dass es nun einmal so sei und dass es keine Alternative gäbe. Das hat zur Folge, dass viele unzufrieden sind und durchaus einzelne Missstände erkennen mit denen sie versuchen umzugehen, ohne aber das „große Ganze“ jemals in Frage zu stellen.
Allein machen sie dich ein
Das bedeutet natürlich auch, dass jedeR einzelne zig Baustellen in seinem/ihren eigenen Leben hat, die es ihn/ihr oft unmöglich erscheinen lassen, den Kampf mit dem abstrakt wirkenden Feind – dem System – aufnehmen zu können. Sätze, wie „die da oben machen ja eh was sie wollen“ oder „was können wir schon ändern?“ zeigen eine Resignation gegenüber dem übermächtig wirkenden Feind. Doch wir sind nicht machtlos: wir sind viele und die KapitalistInnenklasse lebt von unserer Arbeit. Wir alle können uns nur selbst befreien. Erst wenn sich die Menschen genau dieser Perspektive bewusst werden kann eine echte Gegenmacht entstehen.
Gegenmacht schaffen!
Konkret kann jedeR dort ansetzen, wo er/sie lebt, arbeitet oder lernt. Natürlich ist es nicht einfach alleine aktiv zu werden, aber wenn man sich genauer umsieht wird man überall ebenso unzufriedene Menschen finden, die zumindest im Kleinen bereit dazu sind, sich zu solidarisieren. Sei es der ungerechte Lehrer, gegen den man sich zusammenschließt oder die Lohnkürzung im Betrieb gegen die man zusammen angeht. Das alles im Einzelnen betrachtet ist natürlich noch keine Revolution, aber die Organisierung der Menschen schafft eine wichtige Gegenmacht zu den herrschenden Verhältnissen. Und wirkt der einzelne Kampf auch noch so klein und unbedeutend kann er den Menschen zeigen, was sie gemeinsam erreichen können, wenn sie es nur versuchen. Selbst wenn ein Kampf augenscheinlich verloren wird, ist er dennoch nicht umsonst. Jede Situation, in der Menschen sich zusammen tun, sich organisieren und erkennen wie wichtig Solidarität ist, wird den Zeitpunkt der radikalen Veränderungen in dieser Gesellschaft näher bringen.
Zusammen sind wir stark!
So wichtig jeder einzelne Kampf ist, so wichtig ist auch die Vernetzung. Wir müssen erkennen, dass die Belange der SchülerInnen für ein freies Schulsystem und der Kampf gegen Sozialabbau. (Die Liste hierfür wäre beliebig fortsetzbar: Kriege, Krise, Arbeitslosigkeit, Armut etc.) zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Diese Probleme existieren nur im profitorientierten Wirtschaftssystem und können erst dann beseitigt werden, wenn das System überwunden ist. Dass dieser Kampf von allen Bewegungen zusammen geführt wird, davon sind wir zwar noch weit entfernt, aber umso wichtiger ist es ihn einzufordern und ihn voranzutreiben wo und wie auch immer uns das möglich scheint. Kein einzelnes Flugblatt, keine Demo oder Infoveranstaltung wird eine sofortige Veränderung herbeiführen, aber mit dem schrittweisen Aufbau einer Gegenmacht von Unten werden wir der herrschenden Klasse mehr und mehr Einflussraum nehmen. Wir haben den Kampf erst dann gewonnen, wenn wir ein Wirtschaftssystem haben, das sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und in dem wir selbst kollektiv bestimmen was wie produziert wird und ebenso wie es verteilt wird. Wir wollen nicht länger nur untot sein, sondern wirklich leben und das heißt – in diesem System – auch kämpfen. Wir wollen keine Figuren mehr in diesem Schachspiel sein, in dem es nur um Profite geht. Schmeißen wir das Schachbrett um!
Von diesem Augenblick an können wir eine Gesellschaft aufbauen, in der der Mensch tatsächlich frei ist – frei von Unterdrückung und Ausbeutung! Das ist unser Ziel!
Für die soziale Revolution!
Die ROJA ist eine der organisierten autonomie (OA) nahe stehende Jugendgruppe, die sich auf der selben inhaltlichen Grundlage bewegt und über Aktivitäten autonom entscheidet.