Gegen politische Strafverfolgung nach § 129a und § 129b Strafgesetzbuch (StGB) Für internationales Recht auf Widerstand und Kampf gegen Unterdrückung am Beispiel der Strafverfahren gegen ATIK Aktivist*innen
Samstag, den 20. Februar 2016 in der Villa Leon, ab 9 h vormittags, Schlachthofstraße/Philipp-Koerber-Weg 1, 90439 Nürnberg
Seit dem 15. April 2015 befinden sich neun revolutionäre Menschen in verschiedenen Haftanstalten Bayerns in Untersuchungshaft. Auf der Grundlage der Ermächtigung des Bundesjustizministeriums zur Strafverfolgung als mutmaßliche politische Aktivist*innen der TKP/ML wurden sie in einer konzertierten Polizeioperation festgenommen. Derzeit laufen noch Verhandlungen mit der Schweiz hinsichtlich der von der Bundesanwaltschaft beantragten Auslieferung von Mehmet Yesilcali. Vermutlich wird nach dessen Überstellung an die bundesdeutsche Justiz im Frühjahr 2016 gegen die zehn Inhaftierten Anklage vor dem Oberlandesgericht München erhoben.
Müslüm Elma, Erhan Aktürk, Dr. Banu Büyükavci, Dr. Sinan Aydin, Haydar Bern, S. Ali Ugur, Musa Demir, Sami Solmaz, Deniz Pektas und Mehmet Yesilcali werden nach dem im Jahre 2002 eingeführten Antiterrorparagraphen §129 b Strafgesetzbuch (StGB) vorgeworfen, Mitglied in einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“- konkret der „Kommunistischen Partei der Türkei / Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML)“- gewesen zu sein. Zu den Anklagepunkten zählt u. a. die bemerkenswerte Beschuldigung, sich an der Befreiung und am Aufbau des Demokratischen Autonomieprojekts in Kobanê/Rojava im syrischen Teil Kurdistans maßgeblich beteiligt zu haben.
Die TKP/ML ist in der Bundesrepublik Deutschland weder verboten, noch wird sie auf der „EU-Terrorliste“ geführt. In diesen Verhaftungen sehen wir eine neue Form der machtpolitisch motivierten Strafverfolgung bzw. Kriminalisierung von progressiven migrantischen Einzelpersonen und Organisationen, die sich eigentlich gegen alle fortschrittlichen, demokratischen und revolutionären Kräfte weltweit richtet.
Unter den Angeklagten sind Aktivist*innen der „Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Europa“ (ATIK) einer der ältesten basisdemokratischen und linken Organisationen der Arbeitsimmigrant*innen hier in Europa, die sich mit ihren Vorläufer-Organisationen seit über 40 Jahren für Gleichheit, Geschwisterlichkeit der Völker und Demokratie kontinuierlich einsetzt.
Die Inhaftierten waren anfänglich einer Totalisolierung in den bayrischen Haftanstalten ausgesetzt. Nur aufgrund von wirksamen Beschwerden der Verteidiger und öffentlichen Protesten von Migranten*innen-Organisationen wurden diese Maßnahmen teilweise gelockert. Doch können die Gefangenen bis heute nicht in einen freien Kontakt zu ihren Rechtsanwälten und Familien treten, weil ausnahmslos alle Besuche von Vollzugsbeamten der Haftanstalten überwacht werden und sogar der Schriftverkehr zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten stets kontrolliert wird. Isolationshaftbedingungen sind international geächtet und werden seit Jahrzehnten von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert und zu Recht als „psychologische Folter“ angeprangert.
Die Anklage der deutschen Bundesanwaltschaft beruht auf fragwürdigen und teilweise falschen Informationen und scheinheiligen Beweismitteln der türkischen Geheimdienste und dient somit der Spaltungs-, und Repressionspolitik der AKP Regierung. Deren Berichte wurden nämlich in der Vergangenheit schon mehrmals von internationalen Gerichten als „nicht zulässig“ bewertet, weil sie häufig auf unter Folter erzwungenen Geständnissen und / oder auf rechtswidrigen Methoden beschafften Informationen beruhen.
Die Bundesanwaltschaft und die Justiz machen sich damit zum Erfüllungsgehilfen des türkischen AKP-Regimes und seiner antidemokratischen Staatsschutzbehörden. Sie unterstützen damit einen Staat, in dem seit Monaten wieder Pogrome und Massaker gegen Kurd*innen, Alevit*innen, Nicht-Muslime, Linke und Sozialist*innen stattfinden sowie die elementarsten Grundrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Organisations- und Koalitionsfreiheit missachtet werden und zum Alltag geworden sind.
Während türkische Nationalisten und Faschisten der „Grauen Wölfe“, Anhänger von islamistisch-faschistischen Organisationen wie z.B. der Salafisten und türkische Geheimdienstler in Deutschland Hand in Hand zusammen agieren können und häufiger mit Angriffen auf kurdische, linke und sozialistische Einrichtungen und Personen aus der Türkei von sich reden lassen, werden linke türkische und kurdische Organisationen und Personen politisch verfolgt und der staatlichen Repression ausgesetzt. Dies wird nicht zuletzt durch das seit 22 Jahren bestehende inakzeptable PKK-Betätigungsverbot offenkundig. Die PKK und andere kurdische Befreiungsorganisationen und ihre Aktivist*innen sind nirgendwo in Europa so massiv von strafrechtlicher Verfolgung und Repression betroffen wie in Deutschland, wobei aber alle europäische Staaten von kurdischen
Organisationen ein „strategisches friedenspolitisches Engagement“ in der Türkei und im Mittleren Osten fordern. Derzeit befinden sich sieben kurdische Aktivisten in Straf- oder Untersuchungshaft: Kenan BA?TU, Ahmet ÇELIK, Mustafa ÇELIK, Mehmet DEMIR, Bedrettin KAVAK, Ali ÖZEL und Abdullah ?EN. Ihr jahrelanges politisches Engagement wird von der bundesdeutschen Politik und Justiz – wie in der Türkei – als „terroristisch“ diffamiert.
Mit unserer Informationsveranstaltung „Symposium zur Kritik der politischen Justiz“ wollen wir die deutsche und internationale Öffentlichkeit auf diese regierungspolitisch motivierten, antidemokratischen und ungerechten Verfahren aufmerksam machen und die internationale Solidarität mit den revolutionären politischen Gefangenen stärken. Dabei berufen wir uns auf das Widerstandsrecht. Die Geschichte Deutschlands und der internationalen Befreiungsbewegungen gegen Kolonialismus, Imperialismus, Faschismus und religiösen Fanatismus zeigen:
„Widerstand ist ein Freiheitsrecht“ – wie es Heinrich Böll vor uns schon sehr richtig feststellte. Widerstand ist nicht nur legitim, sondern notwendige Pflicht eines jeden Menschen, wie Bertolt Brecht es sehr prägnant formuliert hat: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zu Pflicht“.
Deshalb rufen wir alle progressiven und revolutionären Menschen und Organisationen auf, die in Deutschland von staatlicher Repression betroffenen Menschen und Organisationen politisch und praktisch zu unterstützen. Beteiligt euch an den Soli-Aktionen und nehmt teil an dem internationalen Symposium in Nürnberg am Samstag, den 20. Februar 2016, damit das Freiheitsrecht mit Courage und konsequent verteidigt werden kann.
Solidarische Grüße
Bundesweites Vorbereitungsteam im Namen der Veranstalter, u.a.:
IAPL (Internationale Vereinigung der Rechtsanwälte der Völker),
AZADÎ e.V. (Rechtshilfefonds für Kurd*innen in Deutschland),
MAF-DAD e.V. (Verein für Demokratie und Internationales Recht) sowie
ROTE HILFE – Bundesvorstand
Kontakt mit den Veranstaltern:
internationales-symposium@riseup.net int-symposium.blogspot.de
Tel: 0049-15 77 23 51 459
(10:00-10:30) Eröffnungsrede
(13.00-14.00) Große Pause
Referent:
(16:30-17:00) Kleine Pause
Referent:
Marcel BOSONNET, Rechtsanwalt von M. Ye?ilçali, aus Zürich
Saleh MAMON, ehem. Lehrer, Aktivist der Campaign Against Criminalising Communities (CAMPACC) aus Großbritannien