Antifaschismus heißt diesen Sommer mobil sein

Der „Nationale Widerstand“ rennt nach eigenen Angaben von Erfolg zu Erfolg. Auch die Nazis aus der Region um Nürnberg befinden sich ihrer Propaganda zufolge ständig im Aufwind. Die Realität sieht glücklicherweise anders aus. Die durch ihre Schlägereskapaden aufgefallenen und durch Gerichte zum Kampf in den Knästen verdonnerten Führungskader fehlen „draußen“, so dass wenig läuft in der Region. An öffentlichen Aktivitäten ist ohnehin hier wenig wahrnehmbar. Leider ist das aber kein Grund, die Nazibanden rechts liegen zu lassen und sich mehr mit sinnvolleren Dingen, wie zum Beispiel der endgültigen Abschaffung des Kapitalismus zu beschäftigen. Neben der Tatsache, dass es für die regionale Naziszene in Nürnberg und Fürth durch erfolgreiche antifaschistische Arbeit sehr wenig öffentliche Freiräume gibt, konzentriert sich die Szene und vor allem das „Freie Netz Süd“ (das wohl aktivste Netzwerk rechter Strukturen in Bayern, abgekürzt FNS) auf einen Aufbau der eigenen Seite über Kameradschaftsabende, Schulungen und Konzerte. Am 1. Mai wird außerdem seit nunmehr drei Jahren irgendeine mittlere Stadt im Süden vom FNS und bundesweit mobilisierten Nazis heimgesucht. Aber auch größere Veranstaltungen, wie der „Nationale Frankentag“, der jährlich irgendwo auf dem Land (fernab von Nürnberg) stattfindet, spielen eine wichtige Rolle. Auch wenn in Nürnberg und Fürth tatsächlich momentan wenig Naziaktivitäten wahrnehmbar sind, sind die Nazis aber natürlich noch da und somit weiterhin eine Gefahr für alle, die sich nicht in der Wahnwelt des „Nationalen Sozialismus“ oder ähnlicher ideologischer Konstrukte wiederfinden können oder wollen. Auch die üblen Schläger-Anführer der ganzen Bande kommen irgendwann wieder frei. Und wie das Beispiel etlicher Nazi-Kader zeigt, wahrscheinlich nicht vom Nazitum geläutert, was in solch menschenverachtenden Einrichtungen wie Gefängnissen auch komisch wäre, wenn dort Lumpen zu Menschen würden.

Ein Besuch in Fürth-Stadeln, ein Ortsteil mit viel lokaler Naziprominenz

Für antifaschistische Kräfte heißt es deshalb dran zu bleiben und sich nicht allzu viel darauf einzubilden, dass in größeren Städten Nazis nicht so offen auftreten können. Das haben etwa 80  AntifaschistInnen am Samstag, den 30. Juli 2011 auch getan. Auf Einladung der Antifaschistischen Linken Fürth beteiligten sie sich an einem antifaschistischen Spaziergang im Fürther Ortsteil Stadeln. Dort befindet sich der Wohnort eines der führenden Köpfe des „Freien Netz Süd“: Matthias Fischer. Dieser wohnt, wenn er nicht gerade wie jetzt im Knast ist, dort mit seiner Familie. Das Haus der Familie Fischer dient den Nazis allerdings nicht nur als Wohnraum, sondern auch als Lager für Propagandamaterial und als Treffpunkt für die lokale Szene. Es sollen dort auch schon  Kameradschaftsabende und Schulungsveranstaltungen abgehalten worden sein, wissen AntifaschistInnen aus Fürth. Die schon seit Jahren dort lebenden Fischers und ihr brauner Anhang sind normal in die Nachbarschaft integriert und das Haus in Stadeln wird wohl auch als „sicherer Hafen“ von der lokalen Naziszene betrachten. In Stadeln selbst können die Nazis auch meist unbehelligt Flugblätter verteilen, Aufkleber verkleben und Parolen an Hauswände sprühen. Der antifaschistische Spaziergang entfernte einen Teil der nazistischen Propaganda in Form von Dutzenden Aufklebern wieder aus dem Erscheinungsbild des Fürther Ortsteils und, das war natürlich das wichtigere, klärte die Nachbarschaft darüber auf, was für Personen im Fischer-Anwesen wohnen und was die so tun. Denn mittlerweile wohnten und wohnen dort mehrere führende Kader der örtlichen FNS-Strukturen. Auch der verurteilte Nazischläger Peter Rausch, der etwa die nächsten fünf Jahre seinen Wohnort im Knast haben wird, wohnte vor seiner Inhaftierung dort. Bei dem Spaziergang stießen die AntifaschistInnen auf unerwartet großes Interesse und auch Sympathie der AnwohnerInnen.

„Nationaler Frankentag“ – Feiernde Nazis unter sich

Während der Spaziergang relativ unbehelligt von staatlichen Störversuchen verlief, machten die AntifaschistInnen, die zwei Wochen später, am Samstag, den 13. August gegen den „Nationalen Frankentag“ protestieren wollten, ganz andere Erfahrungen. Der Frankentag, ein Nazifest, das vom FNS nun schon zum 4. Mal veranstaltet wird, fand dieses mal auf einer Wiese in der  Gemeinde Roden-Ansbach in der Nähe von Würzburg statt. Der Bus mit den antifaschistischen DemonstrantInnen aus Nürnberg wurde offenbar zu Übungszwecken von Jung-PolizistInnen fast zwei Stunden durchsucht und die Passagiere mussten ebenfalls schikanöse Durchsuchungen über sich ergehen lassen. Dadurch musste sogar eine ursprünglich geplante Kundgebung in Würzburg ausfallen, was der Polizei wohl ganz gelegen kam. Entgegen der Nazipropaganda-Durchsetzungspolitik der Polizei versuchte aber die Gemeine Roden-Ansbach sehr wohl einiges  um das Nazifest zu verhindern. Doch leider letztlich ohne unmittelbare Wirkung. Ein Verbot der Feier wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg wieder aufgehoben. Auf die Gerichte können sich die Nationalsozialisten in Bayern halt verlassen. Genauso wie auf die Polizei, die mit massiver Präsenz die Nazifeierei gegen kritische BesucherInnen abschirmte. Trotzdem dürfte es im beschaulichen 1000-Seelen-Ort Roden-Ansbach so bald keine größere Kundgebung geben, denn immerhin protestierten etwa 250 DorfbewohnerInnen und AntifaschistInnen gegen das Nazifest, das von etwa 300 Nazis besucht wurde. Auch dieses Jahr konnte also leider das Sommerevent der regionalen Naziszene nicht verhindert werden. Das ist allerdings auch eine hohes Ziel, denn irgendeine Wiese abseits des Großraums Nürnberg werden die Nazis wohl auf absehbare Zeit noch finden. Es wird aber anscheinend schon schwieriger, denn in Roden-Ansbach regte sich schon von Anfang an Widerstand gegen die Nazifeier in der Gemeinde.

Erschienen in barricada Sommer [II] 2011